Leitsatz
Bauern profitieren bei der Haltung ihrer Tiere, anders als etwa Hundefreunde und Hobbyreiter, vom Haftungsprivileg für Nutztiere. Grund: Die Tiere dienen dem Erwerb oder Unterhalt des Tierhalters. Das ist gelegentlich ärgerlich aber nicht verfassungswidrig.
Sachverhalt
Das Schleswig-Holsteinische OLG hatte über einen Fall der Haftungsprivilegierung von Nutztierhaltern zu entscheiden: Der beklagte Landwirt betreibt Rindviehhaltung. Im Oktober 2006 brachen 5 Jungrinder aus der hinter seinem Haus gelegenen Koppel aus. Eines dieser Tiere geriet in Panik und verirrte sich auf eine nahe gelegene Kreisstraße. Die Ehefrau des Klägers war mit dessen Fahrzeug nach Einbruch der Dunkelheit dort unterwegs und kollidierte mit dem plötzlich im Lichtkegel des Scheinwerfers auftauchenden Jungrind. Ein hinter ihr befindliches Fahrzeug kollidierte ebenfalls mit dem Tier. Der Sachschaden belief sich auf weit über 10.000 EUR. Die Versicherung des Landwirts verweigerte den Schadensersatz.
Die Richter hatten zu prüfen, ob der Landwirt sich von der grundsätzlich auch ihn treffenden Tierhalterhaftung entlasten konnte. Diese Möglichkeit gewährt § 833 Satz 2 BGB, wenn das Tier dem Erwerb oder Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt und der Schaden nicht auf eine Sorgfaltspflichtverletzung des Tierhalters zurück zu führen ist. Die Richter stellten mit Hilfe eines Sachverständigen fest, dass das trächtige Jungrind von einer Panikattacke heimgesucht worden war, da es weite Teile des die Koppel umschließenden Zauns niedergetrampelt hatte. Einer solchen Attacke hätte kein noch so guter Zaun stand gehalten, sodass es auf den möglicherweise nicht ganz korrekten Zustand des Zauns nicht ankam.
Das OLG prüfte auch die Verfassungsmäßigkeit des Haftungsprivilegs. Danach stellt das Haftungsprivileg eine zulässige Konkretisierung von Inhalt und Schranken des Eigentums dar. Der Gesetzgeber habe das Haftungsprivileg im Jahr 1908 eingefügt, um Landwirte, die wesentlich zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln beitrugen, vor übermäßigen Haftungsrisiken zu schützen. Dieser Gedanke ist heute nicht mehr unbedingt zwingend. Es sei aber nicht Aufgabe richterlicher Rechtsfortbildung, anstelle des Gesetzgebers (möglicherweise) sinnvolle Korrekturen von Gesetzen vorzunehmen.
Nach Auffassung des OLG steht der Geschädigte solchen, ihn möglicherweise finanziell hart treffenden Fällen nicht schutzlos gegenüber. Er habe die Möglichkeit, sich durch Abschluss einer Kaskoversicherung gegen solche Vorkommnisse zu schützen. Tue er dies nicht, habe er die Folgen als Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos zu tragen.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil v. 25.9.2008, 7 U 13/08.