Leitsatz
Die übliche Belehrung im Schadenanzeigeformular, dass bewusst unwahre oder lückenhafte Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, kann nicht ausreichen, wenn der Versicherer aus der verzögerten Beantwortung von Fragen Leistungsfreiheit herleiten will.
Normenkette
§ 6 Abs. 3 VVG, § 7 I Abs. 2 AKB
Sachverhalt
Der Kl. hatte zum Schaden, für den er von der Bekl. aus einer Kfz-Kaskoversicherung Entschädigung begehrt, sachdienliche Fragen erst mit teils wochenlanger Verspätung beantwortet. Die Bekl. lehnte Entschädigungsleistung deshalb mit Hinweis auf Obliegenheitsverletzung ab.
Das OLG hat der Klage stattgegeben.
Entscheidung
Nach den Ausführungen des OLG könne es unerörtert bleiben, ob die erst mit teils wochenlanger Verspätung erfolgte Beantwortung sachdienlicher Fragen eine Obliegenheitsverletzung i. S. v. § 7 AKB darstellt. Zwar habe der Kl. insoweit die gegen ihn sprechende Vermutung für Vorsatz (§ 6 Abs. 3 VVG) nicht ausräumen können. Es fehle aber an einer ausreichenden Belehrung. In den Schreiben der Bekl. sei der Kl. auf den drohenden Verlust des Versicherungsschutzes für den Fall, dass er die Fragen der Bekl. nicht alsbald beantwortet, nicht hingewiesen worden. Eine Belehrung enthalte lediglich die vom Versicherungsagenten ausgefüllte und vom Kl. unterschriebene Schadenanzeige. Diese laute:
"Vorstehende Fragen sind nach bestem Wissen wahrheitsgetreu beantwortet. Mir ist bekannt, dass bewusst unwahre oder lückenhafte Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, auch wenn der Versicherung dadurch kein Nachteil erwachsen ist."
Einem VN, der diese unmittelbar vor der Unterschrift stehende Belehrung auch bei flüchtiger Durchsicht des vom Agenten ausgefüllten Formulars nicht übersehen könne, werde in ausreichendem Maß deutlich gemacht, dass er den Versicherungsschutz verlieren kann, wenn er die im Formular gestellten Fragen bewusst unwahr beantwortet. Er könne auch erkennen, dass der Versicherungsschutz in Gefahr ist, wenn seine Angaben lückenhaft sind, dass die Wahrheit dadurch für den Leser verfälscht wird oder die Frage aufgrund der Lückenhaftigkeit der Angaben als nicht beantwortet angesehen werden muss. Die Belehrung enthalte aber keinen Hinweis darauf, dass sein Versicherungsschutz nicht erst dann in Gefahr ist, wenn er dem Versicherer zu etwa falschen Schlüssen verleitende Antworten gibt, sondern schon dann, wenn er - aus welchen Gründen auch immer - seine Antworten lediglich verzögert. Eine Belehrung hierüber sei aber nach Auffassung des Senats unerlässlich. Die übliche und auch von der Bekl. verwendete Belehrung im Schadenanzeigeformular könne deshalb nicht ausreichen, wenn der Versicherer aus der verzögerten Beantwortung von Fragen Leistungsfreiheit herleiten wolle. Ihm sei es auch zumutbar und problemlos möglich, den VN in dem Anforderungsschreiben auf den drohenden Rechtsverlust hinzuweisen. Ohne eine derartige Belehrung komme Leistungsfreiheit aus diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 25.09.1996, 20 U 100/96