Volker Hustedt, Gido Schür
a) Einleitung des Scheidungsverfahrens
Rz. 109
Die Einleitung erfolgt entweder mittels Ladung vor das Gericht Erster Instanz oder mittels eines sog. kontradiktorischen Antrags. Die Ehescheidungsklage, die durch die Ehegatten gemeinsam gem. Art. 229 § 2 ZGB eingereicht wird, kann nur durch Antrag, der von jedem der Ehegatten oder von mindestens einem Rechtsanwalt oder einem Notar unterzeichnet ist, eingeleitet werden. Dagegen kann die Klage gem. Art. 229 § 1 ZGB nur durch Ladung per Gerichtsvollzieherurkunde eingeleitet werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, das Verfahren mittels eines von den beiden Ehegatten oder ihren Rechtsbeiständen unterschriebenen Protokolls über das freiwillige Erscheinen vor Gericht einzuleiten.
Rz. 110
Die Klageschrift umfasst ggf. eine detaillierte Beschreibung des Sachverhalts sowie – im Rahmen des Möglichen – alle Ersuchen in Bezug auf die Scheidungsfolgen. Die Parteien sind aufgrund Art. 1254 § 5 GGB berechtigt, im Laufe des Verfahrens mittels kontradiktorischer Schlussanträge oder durch Schriftsätze, die dem anderen Ehegatten gültig übermittelt werden, zusätzliche klageerweiternde oder -ändernde Anträge zu stellen oder Widerklagen geltend zu machen.
Rz. 111
Sofort nach Einreichung der Klage setzt der Greffier (die Gerichtskanzlei) die Parteien von der Möglichkeit einer Vermittlung (Mediation) in Kenntnis, indem er ihnen den anwendbaren Gesetzestext zusendet, zusammen mit einer Informationsbroschüre des Justizministeriums über die Vermittlung und der Liste der zugelassenen ortsansässigen Vermittler, die in Familiensachen spezialisiert sind. Ist der Scheidungsantrag unvollständig, fordert der Richter die Parteien auf, die erforderlichen Informationen mitzuteilen oder die Verfahrensakte zu vervollständigen.
Rz. 112
Befindet sich einer der Ehegatten im Zustand der Demenz oder einer schweren Geistesstörung, kann er einzig als Beklagter – nicht aber als Antragsteller – auftreten und wird von seinem Vormund, seinem vorläufigen Verwalter oder, in deren Ermangelung, von einem Ad-hoc-Verwalter, der vorher vom Familiengericht auf Ersuchen der klagenden Partei bestellt wird, vertreten.
Rz. 113
Gemäß Art. 757 § 2 GGB findet das gesamte Scheidungsverfahren, insofern die Parteien persönlich erscheinen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Ratskammer statt.
b) Scheidungsverfahren
aa) Scheidungsausspruch
Rz. 114
Gelingt es dem Antragsteller, die unheilbare Zerrüttung schon bei der einleitenden Gerichtssitzung zu beweisen, so verkündet der Richter die Ehescheidung in dieser Sitzung. Dies ist der Fall
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bei einseitigem Antrag: wenn der Antragsteller die tatsächliche unheilbare Zerrüttung der Ehe gem. Art. 229 § 1 ZGB nachweist, aber auch, wenn er den Nachweis erbringt, dass die Ehegatten seit mehr als einem Jahr tatsächlich getrennt leben; |
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bei gemeinsamem Antrag oder wenn der Beklagte im Laufe des Verfahrens dem Antrag zustimmt: wenn die Ehegatten seit mehr als sechs Monaten getrennt leben. |
Rz. 115
In Ermangelung eines ausreichenden Nachweises in den vorerwähnten Fällen (siehe Rdn 114) beraumt der Richter eine neue Sitzung an:
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bei einseitigem Antrag: findet diese Sitzung unmittelbar nach Ablauf der einjährigen Trennungsfrist, spätestens jedoch ein Jahr nach der ersten Sitzung, statt. In dieser Sitzung verkündet der Richter die Ehescheidung, wenn eine der Parteien ihn darum ersucht; |
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bei gemeinsamen Antrag: findet diese Sitzung unmittelbar nach Ablauf der sechsmonatigen Trennungsfrist, spätestens jedoch drei Monate nach der ersten Sitzung, statt. In dieser Sitzung verkündet der Richter die Ehescheidung, wenn die Parteien ihre Scheidungsabsicht bestätigen. |
Rz. 116
Der Beweis der unheilbaren Zerrüttung der Ehe kann generell mit allen Beweismitteln erbracht werden, mit Ausnahme jedoch des Geständnisses und des für die Entscheidung maßgebenden Eides (serment litisdécisoire) für den Nachweis des Getrenntlebens (siehe Rdn 103 f.). Um den Nachweis der unheilbaren Zerrüttung zu erbringen, können als Beweismittel geltend gemacht werden:
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strafrechtliche Urteile und Akten, z.B. Verurteilungen wegen Vernachlässigung der Familienunterstützung, Kindesentziehung, Körperverletzung, Gerichtsverfahren wegen Diebstahls gegen den Ehepartner usw.; |
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Korrespondenz (auch E-Mail und SMS), persönliche Schriftstücke eines Ehegatten, Fotos, Video- und Tonaufzeichnungen, sofern nicht nachgewiesen wird, dass diese unrechtmäßig in den Besitz des Antragstellers gelangt sind oder diese unrechtmäßig dem Gericht vorgelegt werden. |
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Der Beweis durch Zeugenaussagen ist grundsätzlich zulässig, wird in... |