Christoph Weling, Gido Schür
Rz. 14
Vom Erbstatut sind nach Art. 80 ff. IPRG grundsätzlich alle mit dem Erbfall verbundenen Rechtsfragen erfasst, und damit auch solche, die Verfügungen von Todes wegen behandeln. Dies gilt insbesondere auch für die Prüfung ihrer materiellen Wirksamkeit, da dem belgischen internationalen Erbrecht die Anknüpfung eines Errichtungsstatus für die materielle Wirksamkeit der Verfügungen von Todes wegen nicht bekannt ist. Nach Errichtung eingetretene Änderungen, wie die Verlegung des Wohnsitzes oder der Erwerb von Immobilien, können sich daher auf die materielle Wirksamkeit der Verfügung auswirken, weshalb in der Praxis bei der Errichtung einer testamentarischen Verfügung die Möglichkeit einer Rechtswahl geprüft werden sollte.
Rz. 15
Die Auslegung letztwilliger Verfügungen richtet sich hingegen in Ermangelung einer Rechtswahl nach dem Recht des Staates, zu dem die Verfügung die engste Verbindung aufweist, was vorbehaltlich des Gegenbeweises der Staat ist, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, vgl. Art. 84 IPRG.
Rz. 16
Hinsichtlich der Beurteilung ihrer Testierfähigkeit unterlagen belgische Staatsangehörige bis zum Inkrafttreten des IPRG gem. Art. 3 Abs. 3 fr. ZGB unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz in Belgien oder in einem anderen Staat hatten, stets belgischem Recht (siehe Rdn 50). Nunmehr regelt Art. 34 § 1 IPRG, dass sich grundsätzlich – also vorbehaltlich abweichender Bestimmungen – die Fähigkeit einer natürlichen Person, über Rechte verfügen oder solche erwerben zu können, nach dem Recht des Staates richtet, dem sie angehört. Diesen Grundsatz schränkt Art. 34 § 2 IPRG insoweit ein, als sich die Handlungsfähigkeit in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis nach dem auf dieses Rechtsverhältnis anwendbaren Recht richtet. Hieraus folgt, dass die Testierfähigkeit sich nach dem Erbstatut richtet, also bei beweglichem Vermögen nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dem Erbstatut unterliegen gem. Art. 80 § 1 Ziff. 9 IPRG darüber hinaus auch solche speziellen erbrechtlichen Bestimmungen, die Regelungen darüber treffen, nicht von Todes wegen verfügen oder erwerben zu können.
Rz. 17
Für die Form letztwilliger Verfügungen von Todes wegen ist nach belgischem Recht (vgl. nunmehr auch Art. 83 IPRG) gem. Art. 1 lit. a des Haager Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 das Recht am Ort der Errichtung maßgebend. Daneben bestimmte Art. 999 ZGB (aufgehoben mit Wirkung zum 1.10.2004), dass ein Belgier, der sich im Ausland befindet, ein Testament in der dort zulässigen Form errichten kann. Hier ist allerdings jeweils nur die Frage der Formgültigkeit von – auch gemeinschaftlichen – Testamenten geregelt. Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente sind jedoch gem. Art. 4.168, 4.179, 4.132 §§ 3 + 4, 4.190 bzw. 4.241 ZGB verboten, und bei diesen Vorschriften handelt es sich aus belgischer Sicht nicht um reine Formvorschriften, sondern um solche des materiellen Rechts, so dass nach belgischem Erbrecht gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge unwirksam sind.
Rz. 18
Wäre im konkreten Fall deutsches Erbrecht aufgrund der Rückverweisung durch das belgische IPR berufen, ist fraglich, ob der Erblasser insoweit eine Verfügung von Todes wegen in einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag vornehmen kann. Die Rückverweisung durch das belgische Recht stand unter dem Vorbehalt des belgischen internationalen ordre public (siehe Rdn 13), und wäre damit ausgeschlossen (so dass es bei der Anwendung des belgischen Erbrechts verbliebe), wenn das Verbot gemeinschaftlicher Testamente und Erbverträge durch das belgische Recht Bestandteil des belgischen internationalen ordre public wäre.
Rz. 19
Vielfach wurde vor Einführung des IPRG in der belgischen Literatur das Verbot gemeinschaftlicher Testamente der internationalen öffentlichen Ordnung (ordre public international) zugeordnet. Dieser Auffassung war jedoch schon damals nicht zu folgen, da das belgische Recht im Rahmen von Eheverträgen selbst vertraglich bindende Verfügungen zulässt, die testamentarischen Anordnungen entsprechen (institution contractuelle; siehe dazu Rdn 96 f.). Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente verstießen daher jedenfalls dann nicht gegen den belgischen internationalen ordre public, wenn sie im Hinblick auf die Beteiligten und den Inhalt mit einer solchen institution contractuelle vergleichbar waren. In diesem Zusammenhang war auch die Reform des Erbrechts durch Gesetz vom 22.4.2003 von Bedeutung, mit der der belgische Gesetzgeber in Art. 2.3.2 ZGB Ehegatten die Möglichkeit eröffnete, vertragliche Regelungen über den Nachlass mit dem Ehepartner zu treffen.
Rz. 20
Mit der Einführung des IPRG hatte der belgische Gesetzgeber in Art. 80 § 1 Ziff. 5 IPRG die materiell-rechtliche Gültigkeit letztwilliger Verfügungen vorbehaltlos – also auch für geme...