Christoph Weling, Gido Schür
Rz. 60
Seit dem 1.9.2018 (Inkrafttreten der Erbrechtsreform, eingeführt durch das Gesetzes vom 31.7.2017), ist es in Belgien gestattet, dass ein zukünftiger Erblasser mittels Einhaltung den hiernach beschriebenen Bedingungen einen Vertrag mit seinen zukünftigen Erben bezüglich seines künftigen Nachlasses abschließt.
Die gestatteten Erbverträge sind begrenzt durch das Gesetz aufgezeigt und unterlegen strikten Formvorschriften. Ein Erbvertrag, der nicht durch das Gesetz zugelassen ist oder der die vorgeschriebenen Formvorschriften nicht respektiert, ist nichtig (Art. 4.245 ZGB).
a) Formvorschriften
Rz. 61
Da Erbverträge grundsätzlich verboten bleiben, unterliegen die hiernach aufgelisteten zugelassenen Erbverträge strikte Formvorschriften, von denen nicht abgewichen werden kann, auch nicht mit der Zustimmung aller beteiligten Parteien. Diese Formvorschriften gehen aus Art. 4.249–4.252 ZGB hervor:
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Der Erbvertrag muss zwingend in einer notariellen Urkunde aufgenommen sein. |
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Jede Partei muss einzeln den Entwurf des Erbvertrags erhalten. Das Begleitschreiben enthält:
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das Datum einer Versammlung, die in der Amtsstube des beurkundenden Notars organisiert wird, und anlässlich welcher der Notar allen Parteien den Inhalt des Erbvertrags und dessen Folgen erläutern wird, |
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den Hinweis auf die Möglichkeit, die sich jeder Partei bietet, einen eigenen Rechtsbeistand zu wählen oder ein Einzelgespräch mit dem Notar zu beantragen, |
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Die Versammlung kann frühesten nach Ablauf einer Frist von 15 Tagen ab Übermittlung des Vertragsentwurfs gehalten werden. |
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Der Erbvertrag kann frühesten nach Ablauf einer Frist von einem Monat nach vorgenannter Versammlung unterzeichnet werden. |
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Im Erbvertrag wird das Datum des Versandes des Entwurfes und das Datum der vorherigen Versammlung ausdrücklich aufgenommen. |
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Der Erbvertrag wird in das Zentralregister der Testamente (CRT) eingetragen. |
Die Strafe bei Nichteinhaltung dieser Formvorschriften ist die absolute Nichtigkeit (Art. 4.245 ZGB).
b) Kapazität/Handelsfähigkeit (Art. 4.244 des ZGB)
Rz. 62
Alle Parteien an einem Erbvertrag müssen handlungsfähig sein. Falls eine Partei minderjährig ist oder auf der Grundlage von Art. 492/1 § 2 ZGB für testierunfähig erklärt worden ist, kann dennoch ihr gesetzlicher Vertreter für sie und in ihrem Namen einen Erbvertrag abschließen, unter folgenden Bedingungen:
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der Minderjährige oder die handlungsunfähige Person tritt in der Eigenschaft eines mutmaßlichen Erben auf – handlungsunfähigen Personen ist es nie gestattet, einen Erbvertrag bezüglich des eigenen, zukünftigen Nachlasses abzuschließen |
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der Erbvertrag enthält keinen Verzicht hinsichtlich der Rechte der handelsunfähigen Person |
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der zuständige Friedensrichter hat seine vorherige Genehmigung bezüglich des abzuschließenden Erbvertrages erteilt. |
c) Globaler Erbvertrag
Rz. 63
Die erste Kategorie Erbverträge sind die globalen Erbverträge. Diese Art von Erbverträgen kann nur zwischen einem (oder beiden) Elternteil(en) und allen Kindern sowie, im Falle des Vorversterbens eines Kindes, allen mutmaßlichen Erben in gerader absteigender Linie abgeschlossen werden. Ein mutmaßlicher Erbe kann zustimmen, dass sein Los an seine eigenen Kinder zugeteilt wird. Treten nach Abschluss des Erbvertrags weitere mutmaßliche Erben in gerader absteigender Linie auf, die zur Erbfolge berufen wären, hat dies keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des Erbvertrags, der ihnen gegenüber jedoch unwirksam bleibt.
Rz. 64
Der globale Erbvertrag muss das Bestehen eines Gleichgewichts zwischen den mutmaßlichen Erben hinsichtlich der Schenkungen feststellen, die der Elternteil bereits zugunsten seiner Kinder (bzw. Nachkommen) getätigt hat oder im Erbvertrag tätigt. Das Gleichgewicht ist subjektiv und nicht zwingend mathematisch – es kann, über die Schenkungen hinaus, die persönliche Situation jedes mutmaßlichen Erben berücksichtigen und die Vorteile mit einbeziehen, die sie genossen haben, obwohl diese rechtlich keine Schenkung darstellen (wie z.B. die Übernahme von Studienkosten, die Tatsache, dass ein mutmaßlicher Erbe viel länger als seine Geschwister bei den Eltern unentgeltlich gewohnt hat usw.). Eine Forderung oder Last, die dem beschenkten Nachkommen anlässlich einer Schenkung zugunsten eines anderen mutmaßlichen Erben auferlegt worden wäre (z.B. die Last, beim Ableben des Elternteils den Geschwistern eine Summe X zu zahlen), kann ebenfalls berücksichtigt werden.
Rz. 65
Ausschlaggebend ist, dass die Schenkungen oder Vorteile aktuell sind. Schenkungen von zukünftigen Gütern oder Vermächtnissen dürfen nicht im Gleichgewicht berücksichtigt werden.
Anders als in Deutschland ist es nicht möglich, durch einen solchen Erbvertrag einen Erben zu enterben.
Rz. 66
Unter Vorbehalt einiger Nuancen in Anwesenheit einer handlungsunfähigen Partei verbieten sich die Parteien durch die Unterzeichnung des Erbvertrages, die im Vertrag erwähnten Schenkungen und Vorteile anzufechten, weder aufgrund einer etwaigen Verletzung ihres Pflichtteils noch im Rahmen eines Antrags auf Rückführung (rapport). Einer Partei an einem Erbvertrag steht es jedo...