Rz. 10

Soweit nach den Regeln des belgischen IPR zum Erbrecht auf ausländisches Recht verwiesen wurde, handelte es sich bis zum Inkrafttreten des IPRG um eine Gesamtverweisung auf das ausländische Kollisions- und Sachrecht. Verwies das berufene ausländische Kollisionsrecht auf das belgische Recht zurück, wurde diese Verweisung vom belgischen Recht angenommen.[20]

 

Rz. 11

Hier hat Art. 16 IPRG eine grundlegende Änderung gebracht, indem für Erbfälle ab dem 1.10.2004 vorbehaltlich abweichender Regelungen ein Verweis (renvoi) ausgeschlossen ist, da die Bestimmungen des IPRG grundsätzlich nicht auf das ausländische Kollisionsrecht, sondern nur auf das Sachrecht verweisen. Ausnahmsweise ließ Art. 78 § 2 S. 1 IPRG für die Erbfolge hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens eine Rück- bzw. Weiterverweisung zu, wenn das ausländische Recht auf das Recht am letzten gewöhnlichen Wohnsitz des Erblassers verweist. Eine solche Verweisung muss sich dabei nicht ausdrücklich auf den letzten gewöhnlichen Wohnsitz beziehen (str., so die enge Auslegung[21]); es reicht aus, wenn es dadurch im Ergebnis zu einer solchen Verweisung kommt, dass auf das Heimatrecht des Erblassers verwiesen wird und er in diesem Staat auch seinen letzten gewöhnlichen Wohnsitz hatte (so die weite Auslegung[22]). Für die weitere Auslegung spricht, dass sie dem Zweck des Art. 78 § 2 S. 2 IPRG am nächsten kommt, nämlich eine Nachlassspaltung zu vermeiden.[23]

 

Rz. 12

Unter Berücksichtigung des IPRG[24] führte dies in deutsch-belgischen Erbfällen zu folgenden Ergebnissen, soweit nicht wirksam eine abweichende Rechtswahl getroffen wurde:

 

Fall 1:

Der mit letztem gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland verstorbene Belgier hat Grundbesitz in Belgien.

Hier kam aus Sicht des belgischen Rechts gem. Art. 78 § 1 und § 2 Abs. 1 IPRG hinsichtlich des in Belgien gelegenen Grundbesitzes belgisches Recht und hinsichtlich des beweglichen Vermögens deutsches Recht[25] zur Anwendung.

Gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB richtet sich aus der Sicht des deutschen Rechts die Erbfolge hinsichtlich des in Belgien gelegenen Grundbesitzes nach belgischem Recht. Hinsichtlich des beweglichen Vermögens wird die in Art. 78 § 1 IPRG angeordnete Rückverweisung zum Recht am "letzten gewöhnlichen Wohnsitz" des Erblassers angenommen, Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB, so dass insoweit deutsches Erbrecht gilt.

 

Fall 2:

Der mit letztem gewöhnlichen Wohnsitz in Belgien verstorbene Belgier hat Grundbesitz in Deutschland.

Hier kommt gem. Art. 78 IPRG aus der Sicht des belgischen Rechts ausschließlich belgisches Recht zur Anwendung, und zwar hinsichtlich des beweglichen Vermögens unmittelbar und hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens aufgrund der Rückverweisung in Art. 25 Abs. 1 EGBGB, die nach der "weiten Auslegung"[26] des Art. 78 § 2 Abs. 2 IPRG vom belgischen Recht ausnahmsweise angenommen wird.

Aus der Sicht des deutschen Rechts richtet sich nur die Erbfolge hinsichtlich des beweglichen Vermögens nach belgischem Recht, die Erbfolge hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens richtet sich hingegen nach deutschem Recht, da die Rückverweisung gem. Art. 78 § 2 Abs. 1 IPRG vom deutschen Recht angenommen wird, Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB.

 

Fall 3:

Der mit letztem gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland verstorbene Deutsche hat Grundbesitz in Belgien.

Sowohl aus der Sicht des belgischen, Art. 78 § 1 und § 2 Abs. 1 IPRG, als auch aus der Sicht des deutschen Rechts richtet sich die Erbfolge hinsichtlich des beweglichen Vermögen des Erblassers nach deutschem Recht und die in das unbewegliche Vermögens nach belgischem Recht, vgl. zum deutschen Recht hier Art. 3 Abs. 3 EGBGB.[27]

 

Fall 4:

Der mit letztem gewöhnlichen Wohnsitz in Belgien verstorbene Deutsche hat Grundbesitz in Deutschland.

Hier kommt aus der Sicht des belgischen Rechts gem. Art. 78 § 1 IPRG unmittelbar belgisches Recht zur Anwendung, soweit es um die Erbfolge für das bewegliche Vermögen geht. Die Erbfolge hinsichtlich des Grundbesitzes richtet sich gem. Art. 78 § 2 Abs. 1 IPRG nach deutschem Recht.

Aus der Sicht des deutschen Rechts kommt unmittelbar und ausschließlich deutsches Recht zur Anwendung.

[20] Vgl. Hustedt, Belgien Grdz. Rn 37, in: Ferid/Firsching sowie Grote, Rn 529 m.w.N.
[21] So etwa Bouckaert, Internationales Erbrecht in der EU, S. 429.
[22] Vgl. hierzu Süß, ZErb 2006, 290 m.w.N. sowie Barnich, Revue du Notariat Belge (131), S. 54 f.
[23] Süß, ZErb 2006, 290; Francq, RabelsZ 2006, 264; vgl. auch "Fall 2" in nachfolgender Rn 12.
[24] Soweit die Rechtslage bei Erbfällen bis zum Inkrafttreten des IPRG am 1.10.2004 im Ergebnis hiervon abweicht, wird dies im Folgenden in Fußnoten vermerkt.
[25] Für Erbfälle bis zum 1.10.2004 wird die Rückverweisung in Art. 25 Abs. 1 EGBGB angenommen (vgl. oben Rdn 10), so dass für diese Erbfälle auch auf bewegliches Vermögen belgisches Erbrecht zur Anwendung gelangt.
[26] Str., vgl. hierzu die Ausführungen in Rdn 11.
[27] Str., vgl. Fetsch, RNotZ 2006, 9 f.; wie hier: Jülicher, PIStB 2005, 287; Schotten/Schmellenkamp, Das Internationale Privatrecht in...

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