Volker Hustedt, Gido Schür
I. Trennung von Tisch und Bett
Rz. 95
Art. 308 ff. ZGB und Art. 1305 ff. des Gerichtsgesetzbuches regeln die Gründe, die Rechtswirkungen und das Verfahren für die Trennung von Tisch und Bett. Die Gründe und das Verfahren sind die Gleichen wie für die Scheidung (siehe Rdn 97 ff.). Die Rechtsfolgen der Trennung von Tisch und Bett unterscheiden sich jedoch von denjenigen der Scheidung:
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Die eheliche Bindung und die Treuepflicht bleiben bestehen. |
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Die Verpflichtung des Zusammenwohnens wird aufgehoben. |
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Die Fürsorgepflicht wird abgeschwächt in dem Sinne, dass nur noch eine passive Verpflichtung besteht, der Ehre und dem Ansehen des Ehegatten nicht zu schaden. |
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Der eheliche Güterstand ändert sich durch die Trennung von Tisch und Bett in dem Sinne, dass von Rechts wegen eine Gütertrennung zwischen den Ehegatten entsteht, was zur Liquidierung des vorherigen Güterstandes führt. |
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Die Beistandspflicht bleibt auch nach erfolgter Trennung von Tisch und Bett bestehen. Beim Verfahren der Trennung von Tisch und Bett im gegenseitigen Einvernehmen wird diese Unterstützungspflicht in Form von Unterhaltszahlungen nach freiem Ermessen der Eheleute in den Trennungsvereinbarungen geregelt. |
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Ein Antrag auf Trennung von Tisch und Bett kann jederzeit in einen Scheidungsantrag und umgekehrt umgewandelt werden. |
Rz. 96
Die Trennung von Tisch und Bett endet
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beim Tod eines Ehegatten; in diesem Fall ist der überlebende Ehegatte jedoch nicht erbberechtigt; |
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bei Versöhnung der Ehegatten; |
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bei Scheidung. |
II. Scheidung
1. Scheidungsgrund
Rz. 97
Das belgische Scheidungsrecht wurde durch das Gesetz vom 27.4.2007 zur Reform der Ehescheidung, welches am 1.9.2007 in Kraft getreten ist, grundlegend erneuert. Durch diese tiefgreifende Reform– sowohl die Scheidungsgründe als auch das Scheidungsverfahren wurden erneuert – hat die Schuldfrage ihre zentrale Stellung im Scheidungsverfahren verloren und ein regelrechtes Recht auf Ehescheidung wurde eingeführt. Der Akzent liegt nun eher auf dem gemeinsamen Willen der Eheleute, sich scheiden zu lassen.
Rz. 98
Die Eheleute werden zudem im Laufe des Verfahrens noch mehr dazu ermuntert, Vereinbarungen im Hinblick auf vorläufig zu ergreifende Maßnahmen und auf die Scheidungsfolgen zu treffen, dies ggf. mit Unterstützung des Richters, welcher durch das Gesetz beauftragt ist, zu schlichten und die Parteien auf den Nutzen einer Mediation hinzuweisen.
Rz. 99
So gibt es grundsätzlich nur einen einzigen Scheidungsgrund: die unheilbare Zerrüttung der Ehe. Diese genügt, um die Scheidung auszusprechen, und ist erwiesen, wenn "durch die Zerrüttung die Fortsetzung und die Wiederaufnahme des Zusammenlebens der Ehegatten nach vernünftigem Ermessen unmöglich geworden sind". Die Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen ist ebenfalls noch möglich.
Seit dem 1.9.2014 ist in allen Scheidungsangelegenheiten das Familiengericht, welches beim Gericht Erster Instanz eines Gerichtsbezirks angesiedelt ist, zuständig.
2. Scheidung wegen unheilbarer Zerrüttung der Ehe
Rz. 100
Der Richter kann die Scheidung nur dann aussprechen, wenn er feststellt, dass die Ehe unheilbar zerrüttet ist, wobei es den Eheleuten obliegt, den Nachweis dieser Zerrüttung zu erbringen. Das Gesetz eröffnet hierzu drei Möglichkeiten:
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Der scheidungswillige Ehegatte (der Antragsteller) weist im Laufe des Gerichtsverfahrens die Zerrüttung der Ehe nach. |
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Das Gesetz vermutet unwiderlegbar die unheilbare Zerrüttung, wenn der scheidungswillige Ehegatte (der Antragsteller) nachweist, dass die Ehegatten seit mehr als einem Jahr getrennt leben oder wenn dieser Ehegatte seinen Scheidungswunsch nach Ablauf einer gesetzlich festgelegten Frist vor dem Richter wiederholt. |
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Die unheilbare Zerrüttung wird ebenfalls unwiderlegbar vermutet, wenn der Scheidungsantrag durch beide Ehegatten gemeinsam eingereicht wird und diese nachweisen, seit mehr als sechs Monaten getrennt zu leben oder beide Ehegatten ihren Scheidungswunsch nach Ablauf einer gesetzlich festgelegten Frist vor dem Richter wiederholen. |
a) Nachweis der unheilbaren Zerrüttung der Ehe
Rz. 101
Ist es – bei einem einseitigen Antrag auf Scheidung – der Wunsch des Antragstellers, unverzüglich geschieden zu werden, also ohne dass eine gewisse Dauer des Getrenntlebens der Eheleute verstrichen ist, so kann dieser versuchen, unter Einsatz aller Rechtsmittel nachzuweisen, dass die Ehe zerrüttet ist, d.h., dass sowohl die Fortsetzung der Ehe als auch die spätere Wiederaufnahme des Zusammenlebens der Ehegatten nach vernünftigem Ermessen unmöglich geworden ist. Wenn dieser Nachweis erbracht ist, kann der Richter die Ehescheidung unverzüglich verkünden.
Rz. 102
Der Antragsteller kann also nachweisen, dass das Verhalten des anderen unweigerlich die unheilbare Zerrüttung verursacht hat, und hierdurch einen schnelle...