Christoph Weling, Gido Schür
Rz. 107
Bei einem Erbfall eines deutschen Staatsangehörigen, der in Belgien bewegliches und/oder unbewegliches Vermögen hinterlässt, empfiehlt es sich, die Dienstleistungen eines belgischen Notariats in Anspruch zu nehmen, insbesondere dann, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien hatte, was ab dem 17.8.2015 nach den Regeln der EuErbVO die Anwendung des belgischen Erbrechts auf den gesamten Nachlass nach sich zieht. Wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte und in Belgien lediglich Bankguthaben oder Mobilien besaß, ist es meist nicht nötig, einen belgischen Notar einzuschalten. In diesem Fall reicht i.d.R. ein europäisches Nachlasszeugnis zur Freigabe der Bankguthaben, wobei manche Banken gemäß den Bestimmungen von Art. 4.59 § 6 ZGB in Verbindung mit dem Programmgesetz vom 29.3.2012 die Bestätigung eines belgischen Notars verlangen, dass zum Zeitpunkt dieser Freigabe weder der Verstorbene noch der Erbe oder Vermächtnisnehmer in Belgien noch nicht beglichene Steuer- oder Sozialversicherungsbeträge schuldet.
Rz. 108
Zur Abwicklung des Nachlasses müssen dem Notar i.d.R. eine Reihe von Dokumenten und Informationen beigebracht werden. Je nach Art und Umfang des Nachlasses sind dies:
a) Für alle Erbschaften:
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Nationale oder internationale Sterbeurkunde; |
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Stamm- oder Familienbuch des Erblassers; |
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Heiratsurkunde und ggf. Ehevertrag eines verheirateten Erblassers; |
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Scheidungsurteil eines geschiedenen Erblassers; |
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Geburtsurkunden und Zivilstandsbescheinigungen der Erben und Vermächtnisnehmer; |
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Heiratsurkunden und ggf. Eheverträge verheirateter Erben und Vermächtnisnehmer sowie Scheidungsurteile der geschiedenen Berechtigten; |
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beglaubigte Ausfertigung von letztwilligen Verfügungen des Erblassers; |
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ggf. eigenhändige Testamente (Original); |
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ggf. ein (mit der Apostille versehener) ausländischer Erbschein oder, ab dem 17.8.2015, ein europäisches Nachlasszeugnis; |
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Eigentumstitel in Bezug auf in Belgien belegenen Grundbesitz des Erblassers. |
Rz. 109
b) Für die Erbschaft eines Erblassers, dessen letzter gewöhnlicher Aufenthalt sich in Belgien befand, sind darüber hinaus umfassende Angaben zu allen Aktiva und Passiva des Weltvermögens beizubringen:
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Informationen zu im Ausland belegenem Grundbesitz des Erblassers; |
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Informationen zu Bankguthaben, Bankschließfächern, Wertpapierdepots bei Banken und sonstigen Kapitalanlagen; |
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Informationen zu Lebensversicherungen; |
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Informationen zu Versicherungsverträgen in Bezug auf bewegliche Güter; |
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Angaben zu Kraftfahrzeugen; |
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Bargeldbetrag, der am Todestag vorhanden war; |
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Liste der Forderungen, die der Erblasser gegen Dritte hatte; |
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Liste der börsennotierten Wertpapiere; |
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Angaben zu Beteiligungen des Erblassers an Gesellschaften; |
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Angaben zu Betriebsvermögen, das zum Nachlass gehört, und zu beruflichen Investitionsgütern; |
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Liste von Vermögenswerten, die der Erblasser während der drei Jahre, die dem Tod unmittelbar vorausgingen, entgeltlich oder unentgeltlich veräußert hat; |
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Informationen zu allen unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers zu Lebzeiten; |
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Angaben zu allen sonstigen Aktiva (Urheberrechte, Patente, gewerbliche Schutzrechte, Mietkautionen usw.); |
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Liste der Verbindlichkeiten (Kredite, Darlehen, Bürgschaften, Rechnungen für Lieferungen und Leistungen, die zum Zeitpunkt des Todes nicht beglichen waren) und diesbezügliche Belege; |
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Unterlagen bezüglich der Beisetzungskosten; |
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fiskalische und soziale Verbindlichkeiten des Erblassers. |
Rz. 110
Gemäß Berufsrecht muss der belgische Notar seine Amtstätigkeit unabhängig und unparteilich wahrnehmen. In Belgien steht allen an einem Vorgang beteiligten Parteien die freie Wahl des Notars zu, d.h. dass eine Nachlassabwicklung gegebenenfalls von mehreren Notaren gemeinsam vorgenommen wird, wenn die Parteien sich nicht auf die Bezeichnung eines einzigen Notars einigen können oder wenn eine Partei an der Neutralität des beauftragten Notars zweifelt. Die Notariatsgebühren erhöhen sich i.d.R. nicht infolge der Beauftragung mehrerer Notare, da die Honorare entsprechend einem durch die Gebührenordnung festgelegten Verteilungsschlüssel unter den beteiligten Notaren aufzuteilen sind.