Leitsatz
Ein Steuerberater ist nicht verpflichtet, dem Mandanten den Austritt aus der Kirche zu empfehlen. Hat er aufgrund des ihm erteilten Auftrags die steuerlichen Vor- und Nachteile bestimmter Gestaltungsmöglichkeiten zu prüfen, muss er allerdings auf die anfallende Kirchensteuer hinweisen, wenn sie die übliche Quote übersteigt. Der Mandant hat dabei darzulegen und zu beweisen, dass er bei vollständiger Beratung über anfallende Kirchensteuer aus der Kirche ausgetreten wäre.
Sachverhalt
Der beklagte Steuerberater war langjährig für die Kläger, die Gesellschafter der H-GmbH, tätig. Die Parteien hatten schon in den Jahren 1999 und 2000 über die Ausschüttung des im Jahr 1998 von der GmbH erzielten Gewinns gesprochen, entsprechend dem Rat des Beklagten davon aber abgesehen. Im Hinblick auf die am 1.1.2002 in Kraft tretende Umstellung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren empfahl der Beklagte mit Schreiben vom 29.10.2001, den Gewinn, der mit 45 % Körperschaftsteuer belastet war, zum 31.12.2001 auszuschütten. Dadurch könne ein Steuernachteil in Höhe von 171321 DM vermieden werden. Auf die dabei anfallende Kirchensteuer wies der Beklagte nicht hin; er hatte vergessen, sie in die Vergleichsrechnung einzustellen. Die Kläger folgten der Empfehlung. Aufgrund der Ausschüttung hatten sie zusätzliche Kirchensteuer in Höhe von 153644 DM zu zahlen. Nachdem sie diesen Betrag im Folgejahr als Sonderausgabe geltend gemacht hatten, blieb eine Mehrbelastung von 40195 EUR. Mit Wirkung zum 30.12.2003 sind die Kläger aus der Kirche ausgetreten. Sie verlangen Schadensersatz in Höhe des Mehraufwands. Der BGH wies die Klage ab.
Entscheidung
Anders als die Vorinstanz vertritt der Senat die Auffassung, die bezüglich der Kirchensteuer unterbliebene Beratung verletze prinzipiell die Mandatspflichten des Beraters.
Ein Steuerberater ist zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, einem Mandanten den Kirchenaustritt zu empfehlen. Hat er jedoch aufgrund des ihm erteilten Auftrags die steuerlichen Vor- und Nachteile verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten darzustellen, muss er in der Regel auf die anfallende Kirchensteuer hinweisen. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese das übliche Maß übersteigt, also nicht lediglich 8 oder 9 % der zu zahlenden Lohn- oder Einkommensteuer beträgt. In einem solchen Fall kann die Höhe der Kirchensteuer von erheblicher Bedeutung für die zu treffende Entscheidung sein. Oft wird der Mandant überdies nicht nur vor der Frage stehen, ob er aus der Kirche austritt oder nicht. Die erhaltenen Informationen können ihn vielmehr auch veranlassen, eine andere Gestaltung zu wählen, die geringere Belastungen mit sich bringt. Die Steuerberatung soll die dem Auftraggeber fehlende Sach- und Rechtskunde auf diesem Gebiet ersetzen, so dass er seine eigenen Angelegenheiten sachgerecht entscheiden kann.
Diese Belehrung war nicht wegen fehlender Belehrungsbedürftigkeit der Kläger entbehrlich. Jeder Steuerzahler weiß zwar, dass er Kirchensteuer nur bei Zugehörigkeit zu einer Kirche zahlen muss und dass er die Kirchensteuerpflicht durch den Austritt aus der Kirche beenden kann. Er geht jedoch regelmäßig davon aus, lediglich einen Zuschlag zur Lohn- oder Einkommensteuer in Höhe von 8 oder 9 % entrichten zu müssen. Im vorliegenden Fall hatten die Kläger für das Jahr 2001 jedoch nicht nur einen Bruchteil der Einkommensteuer an Kirchensteuer zu zahlen, sondern wegen des Anrechnungsverfahrens fast deren dreifachen Betrag.
Allerdings zählt die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Beratung verhalten hätte, zur haftungsausfüllenden Kausalität, die der Mandant nach § 287 ZPO umfassend zu beweisen hat. Um beurteilen zu können, wie dieser sich nach pflichtgemäßer Beratung verhalten hätte, müssen die Handlungsalternativen geprüft werden, die sich ihm stellten; deren Rechtsfolgen müssen ermittelt sowie miteinander und mit den Handlungszielen des Mandanten verglichen werden. Einen entsprechenden expliziten Beweis sah der BGH vorliegend nicht als geführt an. Insbesondere konnten sich die Kläger nicht auf einen diesbezüglichen Anscheinsbeweis berufen. Denn die wirtschaftlichen Gegebenheiten ließen mehr als nur eine mögliche vernünftige Entscheidung zu. Primär war zu entscheiden, ob eine Vollausschüttung des EK 45 erfolgen sollte. Hier gab es jedenfalls mehrere Alternativen, nicht nur eine einzige wirtschaftlich vertretbare Entscheidung.
Überdies sieht der Senat keinen Anscheinsbeweis für individuelle Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen. Es gibt vor allem keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass die Entscheidung über eine Kirchenmitgliedschaft oder andere Entscheidungen höchstpersönlicher Natur wie etwa diejenige, eine Ehe einzugehen, oder diejenige, sich auf Dauer von seinem Ehegatten zu trennen, in der ganz überwiegenden Mehrheit aller Fälle ausschließlich aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen getroffen wird. Nur unter dieser Voraussetzung wäre der Schluss von wirtschaftlichen Gegebenheiten auf die hypothet...