Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Bedeutung der Eigentümerversammlung (insbesondere der ersten Versammlung)
Normenkette
§ 24 Abs. 1 WEG, § 26 Abs. 1 WEG, § 626 BGB, § 675 BGB
Kommentar
1. Vom wohnungseigentumsrechtlich (einseitigen) Akt der Abberufung des Verwalters ist grundsätzlich die Kündigung des Verwaltervertrages zu unterscheiden (Trennungstheorie nach h.M.). Ein Eigentümerbeschluss über die fristlose Kündigung des Verwaltervertrages wird regelmäßig dahin auszulegen sein, dass damit auch der Verwalter (aus wichtigem Grund) abberufen wurde.
2. Ein wichtiger Grund für eine solche Abberufung und fristlose Kündigung des Verwaltervertrages kann auch darin liegen, dass der Verwalter nach Entstehen der Gemeinschaft (bzw. der faktischen Gemeinschaft) 1 1/2 Jahre lang keine Eigentümerversammlung einberuft.
Eine Wohnungseigentümerversammlung ist das Forum, in dem die Eigentümer im Rahmen der ihnen obliegenden Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums die erforderlichen Entscheidungen treffen; sie ist darüber hinaus auch der Ort, an dem Eigentümer im Vorfeld einer Beschlussfassung eine gemeinsame Willensbildung durch gegenseitigen Gedankenaustausch herbeiführen; die Versammlung ist ferner für die Wahrnehmung der Rechte des einzelnen Eigentümers mittels seines Stimmrechts von zentraler Bedeutung; wegen der Wichtigkeit der Versammlung für eine funktionierende Verwaltung der Gemeinschaft schreibt auch das Gesetz vor, dass die Versammlung vom Verwalter mindestens einmal im Jahr einzuberufen ist ( § 24 Abs. 1 WEG).
Besonders wichtig ist hier die alsbaldige Einberufung einer ersten Eigentümerversammlung nach Begründung der Gemeinschaft (sei es auch zunächst nur als einer sog. faktischen Gemeinschaft). Im Vordergrund stehen hier Beschlussfassungen über den Wirtschaftsplan als unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderliche Geldmittel zur Verfügung stehen, die anteilig von den Eigentümern aufzubringen sind (Vorschusszahlungen). Hinzu kommt, dass bei neu errichteten Wohnanlagen häufig mehr oder weniger schwer wiegende Baumängel vorliegen; sofern sie das gemeinschaftliche Eigentum betreffen, ist eine schnelle Willensbildung und Entscheidung der Eigentümer darüber notwendig, welche Ansprüche auf welche Weise gegen wen geltend gemacht werden sollen; auch diese Tatsache macht es notwendig, eine Versammlung alsbald einzuberufen.
Gerade im vorliegenden Fall hätte der Verwalter in baldiger Versammlung die Eigentümer über vorhandene, ganz erhebliche Baumängel unterrichten müssen (als Grundlage weiterer Eigentümerentscheidungen). Wegen der Verflechtungen der Verwaltung mit dem Bauträger musste sich für die Eigentümer der Verdacht aufdrängen, dass durch die unterlassene Einberufung der Versammlung Gewährleistungsansprüche der Eigentümer gegen die Bauträger-Verkäuferin hintangehalten werden sollten. Diese Pflichtverletzungen seien deshalb als so schwer wiegend anzusehen, dass sie die vorzeitige Abberufung der Verwaltung rechtfertigten, weil das Vertrauen der Eigentümer in eine sachgerechte und an den Interessen der Eigentümer ausgerichtete Verwaltung durch deren Verhalten zerstört worden sei (wie auch vom LG bestätigt).
3. Die Abberufung und auch die fristlose Kündigung des Vertrages müssen jedoch innerhalb angemessener Frist nach Entstehen des wichtigen Grundes ausgesprochen werden ( § 626 Abs. 2 BGB); andernfalls könnte Verwirkung eingetreten sein (hier verneint). Durch die unterlassene Einberufung der Versammlung wurden also Meinungsbildungen und Entscheidungen der Eigentümer (auch über Abberufung und Vertragskündigung) unmöglich gemacht. Eine außerordentliche Versammlung nach § 24 Abs. 2 WEG einzuberufen ist gerade bei neugegründeten Gemeinschaften organisatorisch außerordentlich schwierig, weil sich hier Eigentümer untereinander noch nicht kennen. Auch § 24 Abs. 3 WEG kann in der Regel nicht zur Anwendung gelangen, da ein Beirat und ein Vorsitzender bzw. Stellvertreter erst in einer solchen Erstversammlung üblicherweise bestellt wird.
4. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 198.000.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 30.04.1999, 2Z BR 3/99)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Gerade bauträgerverwandte Erstverwalter stehen häufig zumindest im Verdacht einer Interessenkollision, wenn sie bauträgerseits als Erstverwalter gemäß Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung eingesetzt wurden und das Thema der anfänglichen Baumängel im Bereich des Gemeinschaftseigentums nicht pflichtgemäß im Interesse der Eigentümer behandeln und bearbeiten. Zu Recht hat der Senat insoweit auf die besondere Bedeutung gerade einer alsbald einzuberufenden Erstversammlung hingewiesen, in der primär über Wirtschaftsplan, Beiratswahl und den Bereich der Baumängel notwendigerweise Beschlüsse gefasst werden müssen (Kennenlernen der Eigentümer, Diskussion, Meinungsbildung usw.).
Bei Bauträger-Verkäufen beginnt bekanntlich die Verwalteramtsze...