Leitsatz
1. Nimmt der Vermieter zur Begründung seines Erhöhungsverlangens auf einen qualifizierten Mietspiegel Bezug, so hat er die Angaben des Mietspiegels zur Wohnung, auf die er sein Erhöhungsverlangen stützt, dem Mieter mitzuteilen. Der Mietspiegel selbst muss dem Erhöhungsverlangen nicht beigefügt werden, wenn er im Amtsblatt veröffentlicht worden und allgemein zugänglich ist.
2. Innerhalb der Mietspiegelspanne kann das Gericht anhand der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung, die nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels gehört, die konkrete übliche Vergleichsmiete durch Schätzung gemäß § 287 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 ZPO ermitteln, wenn eine Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete innerhalb der im Mietspiegel vorgegebenen Spanne durch Sachverständigengutachten mit Schwierigkeiten und einem Kostenaufwand verbunden wäre, der zu der Höhe der geltend gemachten Mieterhöhung unter Berücksichtigung der als Schätzgrundlage vorhandenen Orientierungshilfe außer Verhältnis steht.
(amtliche Leitsätze des Gerichts)
Normenkette
BGB §§ 558, 558c, 558d
Kommentar
Es geht um eine Mieterhöhung für eine in Berlin gelegene Altbauwohnung. In Berlin existiert ein Mietspiegel, in dem die Mieten in Form einer Preisspanne (Oberwert/Unterwert) angegeben sind. Zu dem Mietspiegel gehört außerdem eine "Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung". Dort sind zahlreiche Merkmale aufgeführt, die einen prozentualen Zuschlag oder Abschlag vom Mittelwert vorsehen. Der Berliner Mietspiegel ist im Amtsblatt veröffentlicht. Außerdem existiert eine Internetadresse der Senatsverwaltung, über die der Mietspiegel nebst einem Rechenprogramm aufgerufen werden kann. Das KG hatte zum einen zu entscheiden, welche Anforderungen an das Mieterhöhungsverlangen zu stellen sind (Leitsatz 1). Zum anderen war zu klären, wie die "Orientierungshilfe" im gerichtlichen Verfahren zu verwerten ist (Leitsatz 2).
1 Anforderungen an Mieterhöhungsverlangen (Leitsatz 1)
1.1 Mietspiegel ist allgemein zugänglich
Der Vermieter hatte zur Begründung der Mieterhöhung auf den Berliner Mietspiegel verwiesen und darauf hingewiesen, dass dieser über die Internetadresse der Senatsverwaltung abgerufen werden kann. Der Mietspiegel selbst war dem Erhöhungsverlangen nicht beigefügt. Dies steht mit dem Wortlaut des § 558a Abs. 2 Nr. 1 BGB im Einklang. Danach genügt es, wenn auf den Mietspiegel "Bezug genommen" wird. Hieraus ist zu schließen, dass der Mietspiegel jedenfalls dann nicht beigefügt werden muss, wenn er allgemein zugänglich ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dies der Fall, wenn der Mietspiegel – wie in Berlin – im Amtsblatt veröffentlicht ist (BGH, Urteil v. 12.12.2007, VIII ZR 11/07, NJW 2008, 573) oder wenn das Erhöhungsschreiben den Hinweis enthält, dass der Mieter den Mietspiegel im "Kundencenter" des Wohnungsunternehmens einsehen könne (BGH, Urteil v. 11.3.2009, VIII ZR 74/08, NJW 2009, 1667). Dieser Rechtsprechung schließt sich das Kammergericht an.
1.2 Spannenwerte sind dann nicht anzugeben
Wird ein Mieterhöhungsverlangen unter Bezugnahme auf einen Mietspiegel begründet, der Spannen enthält, so genügt es nach der ausdrücklichen Regelung in § 558a Abs. 4 S. 1 BGB,"wenn die verlangte Miete innerhalb der Spanne liegt". Hierzu hat der BGH in dem Urteil vom 12.12.2007 (a. a. O.) ausgeführt, dass die Angabe der Spannenwerte weder nach dem Wortlaut des § 558a BGB noch nach dem Sinn und Zweck der Regelungen über die Begründung des Mieterhöhungsverlangens erforderlich ist. Dem Mieter ist es nämlich ohne Weiteres zuzumuten, sich anhand eines allgemein zugänglichen Mietspiegels selbst zu informieren. Der Leitsatz des KG ("so hat er die Angaben des Mietspiegels ... dem Mieter mitzuteilen") weicht hiervon ab. Aus den Gründen der Entscheidung ist allerdings nicht erkennbar, ob das Gericht in diesem Punkt von der Rechtsprechung des BGH abweichen wollte.
2 Verwertung der Orientierungshilfe (Leitsatz 2)
Der Berliner Mietspiegel gilt als "qualifizierter Mietspiegel" i. S. v. § 558d BGB. Für einen solchen Mietspiegel gilt die gesetzliche Vermutung, dass die dort bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (§ 558d Abs. 3 BGB). Die Vermutungswirkung setzt voraus, dass der Mietspiegel "nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt" worden ist.
Die "Orientierungshilfe" beruht hingegen nicht auf gesicherten empirischen Erkenntnissen, sondern auf der Erwägung, dass die Spannen unter Berücksichtigung normativer Wohnwertkriterien auszufüllen sind. Das KG vertritt die Ansicht, dass der Mietspiegel insoweit gem. § 287 Abs. 2 ZPO verwertet werden kann. Nach dieser Vorschrift kann die Höhe eines Anspruchs nach freier Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, wenn "die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgeblichen Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen".
Die im Leitsatz 2 wiedergegebene Rechtsansicht trifft nicht zu. Gegenstand der Schätzung nach § 287 Ab...