Leitsatz
Das minderjährige Kind und sein rechtlicher Vater, der nicht der leibliche Vater ist, haben Vaterschaftsanfechtungsklage erhoben. Für das Kind wurde ein Ergänzungspfleger bestellt, der die Klage eingereicht hat. Der Beklagte hat den Antrag anerkannt. Die Mutter trat dem Verfahren bei und beantragte, die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen. Das AG gab der Klage statt. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Kindesmutter hat das OLG die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass die Kindesmutter ohne formelle Beschwer zur Berufung berechtigt gewesen sei und andererseits das minderjährige Kind ohne entsprechende Erklärung der Eltern nicht ordnungsgemäß Anfechtungsklage habe erheben können. Gegen das Urteil des OLG legten sowohl der Vater als auch das Kind Revision ein.
Sachverhalt
Die im Jahre 1995 geborene Klägerin focht die Vaterschaft des Beklagten an. Dessen im Jahre 1994 geschlossene Ehe mit der Mutter und jetzigen Streithelferin der Klägerin war seit dem Jahr 1999 geschieden. Beide übten nach wie vor gemeinsam das Sorgerecht für die Klägerin aus.
Nach dem Ergebnis eines von ihm in Auftrag gegebenen Abstammungsgutachtens war der Beklagte nicht der leibliche Vater der Klägerin. Eine von ihm im Jahre 1999 erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage war wegen Versäumung der Anfechtungsfrist rechtskräftig abgewiesen worden. Seit seiner Trennung von der Kindesmutter im Jahre 1997 hatte der Beklagte keinen Kontakt mehr zu der Klägerin.
Auf Antrag des Beklagten bestellte der Rechtspfleger des AG das Jugendamt zum Ergänzungspfleger des Kindes mit dem Aufgabenkreis "Vertretung des minderjährigen Kindes in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren". Das Jugendamt lehnte die Erhebung der Anfechtungsklage ab, da dies nicht dem Kindeswohl diene. Der Rechtspfleger teilte diese Auffassung nicht, entließ das Jugendamt als Ergänzungspfleger und bestellte stattdessen auf Anregung des Beklagten einen Rechtsanwalt zum Ergänzungspfleger. Dieser erhob namens der Klägerin Klage auf Feststellung, dass die Klägerin nicht das Kind des Beklagten sei. Der Beklagte erkannte an.
Das AG bestellte zunächst eine Verfahrenspflegerin, die nach persönlicher Anhörung der Klägerin die Ansicht vertrat, die Anfechtung entspreche nicht dem Kindeswohl. Sie beantragte, die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen. Die Mutter der Klägerin trat dieser im Verfahren bei und schloss sich den Ausführungen und Anträgen der Verfahrenspflegerin des Kindes an.
Das AG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Kindesmutter änderte das OLG die angefochtene Entscheidung, wies die Klage ab und ließ die Revision zu.
Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte legten Revision ein. Beide erstrebten die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils, während die Mutter als Streithelferin der Klägerin das Berufungsurteil verteidigte.
Entscheidung
Beide Revisionen hatten keinen Erfolg.
Der BGH vertrat die Auffassung, die Klage sei gegenwärtig unzulässig. Die Mutter des Kindes sei als streitgenössische Nebenintervenientin auch ohne formelle Beschwer berechtigt, Berufung einzulegen, auch im Widerspruch zu der von ihr unterstützten Partei und mit dem Ziel auf eine nach ihrer Ansicht richtige Entscheidung.
Der BGH hat sich in seiner Entscheidung einer umstrittenen Meinung in Rechtsprechung und Literatur angeschlossen, die eine Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels gegen ein stattgebendes Urteil im Vaterschaftsanfechtungsverfahren für nicht erforderlich hält.
Ein besonderer Rückgriff auf § 641i Abs. 2 ZPO, den das OLG für ausschlaggebend hielt, sei nicht notwendig, wenngleich diese Vorschrift Ausdruck der besonderen Bedeutung sei, die das Gesetz einer materiell-richtigen Statusfeststellung beimesse.
Zugleich zeige die Regelung des § 640d ZPO, dass kein öffentliches Interesse an der Beseitigung eines bestehenden Abstammungsstatus bestehe, im Interesse einer Aufrechterhaltung hingegen die Parteiherrschaft dem Amtsermittlungsgrundsatz weichen müsse. Dem entspreche im Scheidungsverfahren die Regelung des § 616 Abs. 2 ZPO. Beiden Vorschriften liege somit ein analogiefähiger Rechtsgedanke zugrunde, der es rechtfertige, im Interesse der Aufrechterhaltung eines bestehenden Abstammungsstatus in geeigneten Fällen auf die Voraussetzung einer formellen Beschwer für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zu verzichten.
Dies entspreche im Ergebnis auch der zum 1.9.2009 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung des FGG-Reformgesetzes. Nach § 184 Abs. 3 FamFG stehe auch demjenigen die Beschwerde gegen Endentscheidungen in Abstammungssachen zu, der an dem Verfahren beteiligt gewesen sei oder zu beteiligen gewesen wäre. Das OLG sei auch zu Recht von der Unzulässigkeit der Klage ausgegangen, weil eine übereinstimmende Erklärung der Sorgerechtsinhaber, dass die Anfechtung erfolgen solle, nicht vorgelegen habe. Es sei deutlich zwischen der Ausübung des materiellen Gestaltungsrechts auf Anfechtung einerseits und der prozessualen Verfahren...