Leitsatz

Die Entschädigungspflicht des Versicherers aus der Bauleistungsversicherung entfällt nicht nach § 3 Nr. 1 ABU 86 i.V.m. § 7 VOB/B 1973 wegen Beschädigung der Bauleistung vor Abnahme durch höhere Gewalt oder andere unabwendbare, vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände, wenn schadensursächlich teils ungewöhnliche, teils gewöhnliche Wetterbedingungen waren, die aber für die Jahreszeit normal und deshalb auch bei einer Gesamtschau nicht als außergewöhnlich einzustufen sind.

 

Sachverhalt

Die Kl., ein Tiefbauunternehmen, unterhielt bei der Bekl. eine Bauleistungsversicherung, welcher die ABU 86 sowie die "Besonderen Bedingungen" der Beklagten zugrunde lagen.

In den Jahren 1993 bis 1995 wurde im Auftrag des Landesstraßenbauamts eine Brücke über die Weser errichtet. Die Kl., die im März 1993 den Auftrag für die Zufahrtsrampen erhalten hatte, nahm ihre Tätigkeit noch im selben Monat auf. Bereits im Verlauf des ersten Auffüllabschnitts kam es nach intensiven Niederschlägen am 24. und 25.09.1993 zu einem ersten Abrutschungsschaden. Deshalb baute die Kl. beim erneuten Mutterbodenauftrag zum Schutz der Dammböschungen sog. Faschinen (durch Draht zusammengehaltene, walzenförmige Reisigbündel, die im Wasserbau zur Befestigung von Ufern oder Gewässersohlen dienen) ein. Die Dammschüttungsmaßnahmen des zweiten Abschnitts und die Andeckung des Oberbodens wurden am 11.10.1994 abgeschlossen. Anschließend brachte die Kl. noch zum Schutz des Mutterbodens eine Grassaat auf.

Trotz dieser Sicherheitsvorkehrungen kam es noch vor Abnahme des Werks in der Zeit zwischen dem 27. und 30.01.1995 zu einem weiteren Schadensereignis, bei dem der Oberboden an den Dammböschungen abrutschte. Wegen der durch die Behebung dieses Schadens entstandenen Kosten nahm die Kl. die Bekl. in Anspruch.

Das LG erhob durch Einholung eines Gutachtens Beweis darüber, ob die Schäden am Dammkörper und am Dammfuß auf höhere Gewalt zurückzuführen waren, und gab der Klage sodann in Höhe von 92.427,49 DM statt. Dabei schloss sich das LG der Auffassung des Sachverständigen an, dass der Schadensfall auf die Niederschläge der Monate Oktober 1994 und Januar 1995 zurückzuführen sei und dass es sich dabei zwar um ungewöhnliche, nicht aber um außergewöhnliche Umstände gehandelt habe. Bei der Bemessung der Entschädigung zog das LG die Kosten für die Entsorgung des durchnässten Mutterbodens und für neuen Oberboden ab, weil die Bodenmassen vom Bauherrn zur Verfügung gestellt worden waren.

Die Berufung der Beklagten hatte teilweise Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG führt aus, dass das LG mit Recht angenommen habe, dass die Bekl. für den Schalenbruch und die Abrutschungsschäden an den Zufahrtsrampen der Brücke aufkommen müsse. Dagegen entfalle ihre Eintrittspflicht für Schäden am Dammfuß und die Verschmutzung der Entwässerungsgräben, weil diese auf höherer Gewalt beruhten. Dadurch ermäßige sich die zu leistende Entschädigung von 92.427,49 DM auf 79.519,02 DM.

Nach § 2 Nr. 1 ABU 86 habe die Bekl. für unvorhergesehen eintretende Schäden an Bauleistungen aufzukommen. Nicht als unvorhergesehen seien gemäß § 2 Nr. 4a ABU 86 solche Schäden einzustufen, die auf normale Witterungseinflüsse zurückzuführen seien, mit denen wegen der Jahreszeit und der örtlichen Verhältnisse gerechnet werden müsse. Daraus folge, dass die Haftungsvoraussetzungen in Bezug auf die Abrutschungsschäden gegeben seien. Denn die dafür in Betracht kommenden Schadensursachen seien sämtlich ungewöhnlich gewesen. Das ziehe selbst die Bekl. nicht in Zweifel. Nach ihrer Einschätzung seien die Niederschläge, das Hochwasser und die Temperaturwechsel, die kumulativ zu den Schäden geführt haben sollten, nämlich nicht nur ungewöhnlich, sondern sogar außergewöhnlich gewesen. Daran habe sich auch nichts geändert, wenn man mit der Kl. nur auf die Häufung von Niederschlägen abgestellt habe, da nach der Behauptung der Bekl. auch die Regenmenge außergewöhnlich gewesen sei.

Die Entschädigungspflicht sei auch nicht nach § 3 Nr. 1 ABU 86 i.V.m. § 7 VOB/B 1973 entfallen. Danach sei die Haftung des Versicherers ausgeschlossen, wenn die ganz oder teilweise ausgeführte Bauleistung vor Abnahme durch höhere Gewalt oder andere unabwendbare, vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder zerstört werde. Solche Umstände lägen vor, wenn die Ereignisse nach menschlicher Einsicht und Erfahrung in dem Sinne unvorhersehbar seien, dass sie auf ihre Auswirkungen trotz Anwendung wirtschaftlich erträglicher Mittel selbst durch die äußerste nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder in ihren Wirkungen bis auf ein erträgliches Maß unschädlich gemacht werden könnten (BGH NJW 1997, 3018). Das sei bei Niederschlägen und anderen Witterungseinflüssen indes nur der Fall, wenn es sich um ganz außergewöhnliche, nach der Jahreszeit nicht zu erwartende Wetterbedingungen handele.

So hätten die Dinge hier jedoch nicht gelegen. Vielmehr habe der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Schalenbrüche und ...

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