Leitsatz (amtlich)

Die Entschädigungspflicht des Versicherers aus der Bauleistungsversicherung entfällt nicht nach § 3 Nr. 1 ABU 1986 i.V.m. § 7 VOB/B 1973 wegen Beschädigung der Bauleistung vor Abnahme durch höhere Gewalt oder andere unabwendbare, vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände, wenn schadensursächlich teils ungewöhnliche, teils gewöhnliche Wetterbedingungen waren, die aber für die Jahreszeit normal und deshalb auch bei einer Gesamtschau nicht als außergewöhnlich einzustufen sind.

 

Normenkette

ABU 1986 § 2 Nr. 1 und 4a, Nr. 6, § 3 Nr. 1; VOB/B 1973 § 7; BGB § 644 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 32 O 164/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.5.2001 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung der Klage i.Ü. wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 40.657,43 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 12.9.1997 zu zahlen.

Die weiter gehende Berufung und die Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 42 % und die Beklagte zu 58 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Gläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein Bauunternehmen, das sich mit Tiefbauarbeiten befasst, unterhält bei der Beklagten eine Bauleistungsversicherung, der die ABU 1986 sowie die besonderen Bedingungen der Beklagten zugrunde liegen (GA 290 ff.).

In den Jahren 1993 bis 1995 wurde in P.W. im Auftrag des Landesstraßenbauamts M. eine Brücke über die Weser errichtet. Die Klägerin, die im März 1993 den Auftrag für die Zufahrtsrampen erhielt, nahm ihre Tätigkeit noch im selben Monat auf. Bereits im Verlauf des ersten Auffüllabschnitts kam es nach intensiven Niederschlägen am 24. und 25.9.1993 zu einem ersten Abrutschungsschaden. Deshalb baute die Klägerin beim erneuten Mutterbodenauftrag zum Schutz der Dammböschungen Faschinen (= durch Draht zusammengehaltene, walzenförmige Reisigbündel, die im Wasserbau zur Befestigung von Ufern oder Gewässersohlen dienen) ein. Die Dammschüttungsmaßnahmen des zweiten Abschnitts und die Andeckung des Oberbodens wurden am 11.10.1994 abgeschlossen. Anschließend brachte die Klägerin noch zum Schutz des Mutterbodens eine Grassaat auf.

Trotz dieser Sicherheitsvorkehrungen kam es noch vor Abnahme des Werks in der Zeit zwischen dem 27. und dem 30.1.1995 zu einem weiteren Schadensereignis, bei dem der Oberboden an den Dammböschungen abrutschte. Wegen der durch die Behebung dieses Schadens entstandenen Kosten nimmt die Klägerin die Beklagte in Anspruch.

Die Klägerin hat geltend gemacht: Der zweite Abrutschungsschaden sei auf die im Januar 1995 niedergegangenen heftigen Niederschläge zurückzuführen. Da es sich bei dieser überaus ergiebigen Regenperiode nicht mehr um normale, aber auch noch nicht um außergewöhnliche Witterungseinflüsse gehandelt habe, müsse die Beklagte für den Schaden aufkommen. Das etwa zeitgleich aufgetretene Hochwasser des Mittelbachs habe bei den Schalenbrüchen, die direkt unter der Dammkrone begonnen hätten, keine Rolle gespielt. Folge davon seien lediglich Ausspülungen am Dammfuß gewesen. Selbst wenn das Hochwasser als außergewöhnlich einzustufen wäre, würde sich ihr Entschädigungsanspruch dadurch aber allenfalls um 5.000 DM verringern.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 138.169,40 DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 12.9.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht: Das streitgegenständliche Schadensereignis beruhe auf verschiedenen Witterungseinflüssen – Regen, Hochwasser und Frost-Tauwetter-Wechsel –, die bei einer Gesamtschau als außergewöhnlich und damit als höhere Gewalt i.S.v. § 7 VOB/B einzustufen seien. Daher habe sich das Bauherrenrisiko verwirklicht, das unstreitig nicht mitversichert gewesen sei. Das Hochwasser sei für das Abrutschen der Böschungen mitursächlich, weil durch die Ausspülungen die Festigkeit des Dammfußes herabgesetzt worden sei und die unteren Bodenschichten dadurch den Halt verloren hätten.

Das LG hat durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dipl.-Ing. B. Beweis darüber erhoben, ob die Schäden am Dammkörper und am Dammfuß auf höhere Gewalt zurückzuführen sind, und sodann der Klage i.H.v. 92.427,49 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12.9.1997 stattgegeben. Dabei hat sich die Kammer für Handelssachen der Auffassung des Sachverständigen angeschlossen, dass der Schadensfall auf die Niederschläge der Monate Oktober 1994 bis Januar 1995 zurückzuführen sei und dass es sich dabei zwar um ungewöhnliche, nicht aber um außergewöhnliche Umstände gehandelt habe. Bei der Bemessung der Entschädigung hatdie Kammer Kosten für die Entsorgung des ...

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