Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
§ 25 Abs. 3 WEG (Beschlussfähigkeit) ist abdingbar
Keine Stimmberechtigung des Verwalters als Miteigentümer zum Punkt Genehmigung der Jahresabrechnung einschließlich darin enthaltener Entlastung
Beschränkung der Anfechtung auf einzelne Rechnungsposten einer Jahresabrechnungs- und einer Wirtschaftsplangenehmigung
Ein Wirtschaftsplan darf nicht überhöhte Wohngeldforderungen ausweisen
Grundsätzlich mündliche Verhandlung vor voll besetzter LG-Kammer zum Zweck der Hinwirkung auf gütliche Einigung
Normenkette
§ 23 Abs. 4 WEG, § 25 Abs. 3, 5 WEG, § 28 Abs. 1, 5 WEG, § 44 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Nach § 25 Abs. 3 WEG ist die Beschlussfähigkeit einer Versammlung dann gegeben, wenn die erschienenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten. Diese Bestimmung ist abdingbar, wie hier auch geschehen durch eine Vereinbarung des Inhalts, dass Beschlussfähigkeit dann gegeben sei, wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten sei. Im vorliegenden Fall sei also nicht darauf abgestellt, ob die erschienenen Wohnungseigentümer im Einzelnen auch stimmberechtigt seien.
2. Ein Verwalter, der zugleich Wohnungseigentümer ist, ist bei der Genehmigung der von ihm erstellten Jahresabrechnung und seiner Entlastung, die in einem Beschluss zusammengefasst sein können, nicht stimmberechtigt.
3. Eine Anfechtung gegen einen jahresabrechnungsgenehmigenden Beschluss kann auf selbstständige Rechnungsposten beschränkt werden (BayObLG, NJW 86, 385). Im Fall einer solchen Anfechtungsbeschränkung kann der Beschluss nur insoweit für ungültig erklärt werden, als die Beanstandung eines einzelnen Rechnungsposten begründet ist. Dem hat ein Gericht grundsätzlich Folge zu leisten. Ein Beschluss kann deshalb bei Begründetheit nur eines Teils der Beanstandungen nicht insgesamt für ungültig erklärt werden.
4. Ein Wirtschaftsplan-Genehmigungsbeschluss verstößt nur dann gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung ( § 21 Abs. 3 WEG), wenn er zu wesentlich überhöhten Wohngeldforderungen oder zu erheblichen Nachzahlungspflichten führt (BayObLG Z 86, 263/269).
Es ist jedoch zulässig, bei der notwendigen Schätzung der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben, insbesondere bei den Ausgaben großzügigzu verfahren, um Nachforderungen zu vermeiden, um sicherzustellen, dass dem Verwalter zur Deckung anfallender Ausgaben ausreichende Mittel zur Verfügung stehen.
5. Auch im Beschwerdeverfahren hat die mündliche Verhandlung vor der voll besetzten Kammer des LG stattzufinden (vgl. BayObLG v. 7. 12. 1987, MDR 88, 411). Der Umstand allein, dass ein Mitglied der Kammer mit den Beteiligten mündlich verhandelt hat, wird i.d.R. einen Ausnahmefall hiervon nicht begründen können. Im Übrigen kann eine gütliche Einigung in aller Regel nicht von vornherein ausgeschlossen werden, etwa durch Hinweis des LG, eine gütliche Einigung werde "nicht angestrebt".
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 09.06.1988, BReg 2 Z 40/88)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
Wird die Beschlussfassung über eine Abrechnungsgenehmigung nur hinsichtlich einzelner Rechnungsposten angegriffen, muss nunmehr das Wohnungseigentumsgericht im Falle der Begründetheit einer solchen "Teilanfechtung" (punktuellen Anfechtung) einen Beschluss nur "insoweit" für ungültig erklären. Diese Auffassung hinsichtlich nur einer Teilungültigkeit ist nicht unumstritten. Streitgegenstand einer solchen auch nur punktuellen Beschlussanfechtung kann nach diesseitiger Auffassung doch nur der die Abrechnung genehmigende Beschluss als solcher (als Ganzes) sein, der bei Fehlern auch nur bzgl. einzelner Positionen einen Verwalter i. d. R. zwingen dürfte, eine neuerliche Gesamtabrechnung mit entsprechenden Korrekturen und neuen Einzelaufteilungen zu erstellen und erneut zur Beschlussgenehmigung vorzulegen. Die bisherigen Geschäftswertentscheidungen des BayObLG belegen dies auch mit entsprechenden Wertansätzen (25 % des Gesamtausgabevolumens zzgl. des Werts der angegriffenen Position). Ein abrechnungsgenehmigender Beschluß setzt sich doch nicht aus lauter Einzelgenehmigungen über Einzelpositionen zusammen, sondern betrifft die Billigung des gesamten Rechenwerks einschl. aller Einzelabrechnungen. Zu beachten wäre hier wohl auch der Grundsatz des § 139 BGB (Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führt im Zweifel zur Gesamtnichtigkeit), will man nicht auf die Ausnahmeregel in § 139 BGB abstellen. Es bleibt abzuwarten, wie in ähnlichen Streitfällen nunmehr auch die Geschäftswerte solcher Verfahren zu Einzelpositionsanfechtungen festgesetzt werden, die bekanntlich im Erfolgsfall zu einer Gesamtkorrektur des Rechenwerks führen müssen.