Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Beschlüsse und Stimmrechte in der Eigentümerversammlung

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner und die Anschlußbeschwerde der Antragsteller wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 9. Februar 1988 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur mündlichen Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 63 500 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Verwalterin gehören mehrere Wohnungen.

Am 16.7.1986 genehmigten die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt 1 die Jahresabrechnung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr (1.5.1985 bis 30.4.1986) und unter Tagesordnungspunkt 2 den Wirtschaftsplan für das folgende Wirtschaftsjahr.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, beide Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Bezüglich der Jahresabrechnung und des Wirtschaftsplans haben sie einzelne Ausgabe- und Einnahmeposten beanstandet; ferner haben sie geltend gemacht, die Verwalterin hätte sich an der Abstimmung nicht beteiligen dürfen. Das Amtsgericht hat den Anträgen am 12.1.1937 stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde hat das Landgericht durch Beschluß vom 9.2.1988 den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu Tagesordnungspunkt 2 über den Wirtschaftsplan abgewiesen und den amtsgerichtlichen Beschluß insoweit aufgehoben; im übrigen hat es die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner und die Anschlußbeschwerde der Antragsteller.

II.

Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts; die Sache wird an dieses zurückverwiesen. Die Antragsgegner rügen zu Recht, daß die Kammer des Landgerichts nicht mit den Beteiligten mündlich verhandelt hat.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Genehmigung der Jahresabrechnung bedeute zugleich die Entlastung des Verwalters. Dieser sei daher bei der Beschlußfassung nicht stimmberechtigt. Im Hinblick darauf sei die Eigentümerversammlung bei der Abstimmung über die Jahresabrechnung nicht beschlußfähig gewesen. Aus diesem Grund sei der Eigentümerbeschluß über die Jahresabrechnung für ungültig zu erklären. Etwas anderes gelte für die Beschlußfassung über den Wirtschaftsplan, weil die Verwalterin insoweit stimmberechtigt gewesen sei. Im übrigen verstoße nur derjenige Wirtschaftsplan gegen die Grundsätze einer ordnungsmäßigen Verwaltung, welcher zu wesentlich überhöhten Ausgaben führe. Dies sei hier nicht der Fall.

Eine mündliche Verhandlung sei nicht veranlaßt gewesen. Die Kammer habe die Beteiligten durch ein beauftragtes Mitglied angehört. Der Sachverhalt sei aufgeklärt. Von den Antragstellern werde eine gütliche Einigung nicht angestrebt.

2. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einem Verfahrensfehler.

Nach § 44 Abs. 1 WEG soll der Richter mit den Beteiligten in der Regel mündlich verhandeln und hierbei darauf hinwirken, daß sie sich gütlich einigen. Die Vorschrift dient auch der Sachaufklärung (§ 12 FGG). Sie ist auch im Beschwerdeverfahren anzuwenden. Dort hat die mündliche Verhandlung vor der vollbesetzten Kammer des Landgerichts stattzufinden. Die hierzu vom Senat in seiner Entscheidung vom 7.12.1987 (MDR 1988, 411) aufgestellten Grundsätze hat das Landgericht nicht beachtet. Es hat zu Unrecht die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls angenommen, in dem die Kammer nicht mündlich verhandeln muß.

Der Umstand allein, daß ein Mitglied der Kammer mit den Beteiligten mündlich verhandelt hat, wird in aller Regel einen Ausnahmefall nicht begründen können. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß die Berichterstatterin bei der mündlichen Erörterung am 18.8.1987 von den Antragstellern wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. Im Hinblick darauf mußte der Verhandlungstermin abgebrochen werden (§ 47 ZPO); eine abschließende Erörterung der Sache mit den Beteiligten war daher auch der Berichterstatterin der Beschwerdekammer nicht möglich. Gegenstand der mündlichen Erörterung mit ihr konnte aber auch der Sachvortrag der Antragsgegner nicht gewesen sein, durch § 14 Abs. 4 Satz 1 der Gemeinschaftsordnung sei § 25 Abs. 3 WEG abbedungen worden, so daß die Eigentümerversammlung beschlußfähig gewesen sei. Dieser Sachvortrag ist erst mit Schriftsatz der Antragsgegner vom 14.9.1987 unterbreitet worden. Das Landgericht hat seine Entscheidung, soweit die Jahresabrechnung angefochten ist, mit der fehlenden Beschlußfähigkeit begründet, obwohl der maßgebende Sachvortrag hierzu nicht Gegenstand einer mündlichen Erörterung war.

In dem Beschluß vom 7.12.1987 hat der Senat ausgeführt, eine gütliche Einigung könne in aller Regel nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. Die Ausführungen des Landgerichts, von den Antragstellern werde eine gütliche Einigung „nicht angestrebt”, können den Verzicht auf die m...

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