Problemüberblick
Die Wohnungseigentümer können einen Beschluss in der Versammlung fassen. Sie können einen Beschluss aber auch außerhalb der Versammlung fassen. Gleichsam ein "Zwitter" ist ein Beschluss außerhalb der Versammlung, dem aber nur die Mehrheit der Wohnungseigentümer zustimmen muss. Denn er ist in der Regel erst möglich, nachdem die Wohnungseigentümer dazu in einer Versammlung die Grundlagen gelegt haben.
Möglichkeiten der Beschlussfassung
Angelegenheiten, über welche die Wohnungseigentümer nach dem WEG oder nach einer Vereinbarung durch Beschluss entscheiden können, werden gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 WEG durch eine Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet (Versammlungsbeschluss). Daneben besteht die Möglichkeit, nach § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG einen Beschluss zu fassen (Beschluss außerhalb der Versammlung).
Einem Beschluss außerhalb der Versammlung müssen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG grundsätzlich alle Wohnungseigentümer zustimmen. Die Wohnungseigentümer können nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG aber auch beschließen, dass bei einem Beschluss außerhalb der Versammlung für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt (Absenkungsbeschluss). Dieser Absenkungsbeschluss ist in einer Versammlung oder – theoretisch – außerhalb der Versammlung zu fassen. Er bedarf nach § 25 Abs. 1 WEG der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn er in einer Versammlung gefasst wird. Wird er außerhalb der Versammlung gefasst, müssen hingegen alle Wohnungseigentümer zustimmen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 WEG).
Ein Absenkungsbeschluss muss nach h. M. bei der Einberufung nicht gem. § 23 Abs. 2 WEG bereits "bezeichnet" (= angekündigt) werden. Notwendig, aber ausreichend ist also, dass der Gegenstand, auf den der Beschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG abzielt, bereits auf der Tagesordnung stand, und dass über ihn in der Versammlung eigentlich beschlossen werden sollte. Ein Absenkungsbeschluss muss einen "einzelnen Gegenstand" betreffen. Es besteht keine Möglichkeit, nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG allgemein zu bestimmen, dass sämtliche Gegenstände künftig nur noch außerhalb der Versammlung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Ein Absenkungsbeschluss muss – wie jeder Beschluss – "bestimmt" sein. Ist er zu unbestimmt, kann er keine ausreichende Grundlage für einen Beschluss außerhalb der Versammlung sein. Stützen die Wohnungseigentümer einen Beschluss außerhalb der Versammlung dennoch auf einen solchen Absenkungsbeschluss, ist dieser Beschluss jedenfalls anfechtbar.
Im Fall hat der Verwalter, der die Beschlüsse nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG formuliert haben dürfte, den Bestimmtheitserfordernissen teilweise genügt. Die außerhalb der Versammlung gefassten Beschlüsse wurden von den Absenkungsbeschlüssen aber jedenfalls nicht getragen. Überblick:
- Balkonanbau (TOP 1). In Bezug auf den Balkonanbau sind die Gegenstände, für welche die Stimmenmehrheit abgesenkt wurde, klar: Vertragsannahme, Beratervertrag, Verwaltervertrag, Sonderumlage. Die Wohnungseigentümer haben aber nicht über diese 4 Gegenstände einen Beschluss gefasst, sondern – offensichtlich nichtig – 2 Sondernutzungsrechte bestimmen wollen und sind im Übrigen von ihrem bereits gefassten Grundlagenbeschluss – Balkone für alle "Wohneinheiten" – ohne eine Ermächtigung hierfür abgewichen.
- Modernisierung der Stromzähler (TOP 2). In Bezug auf die Stromzähler ist bereits der Absenkungsbeschluss zu unbestimmt. Was sein Gegenstand ist, sollen die Wohnungseigentümer "TOP 10 ETV vom 5.10.2020" entnehmen. Diese Verweisung reicht nicht. Denn es ist nicht jedermann klar, was "finalisiert" werden soll, welche Entscheidung die Wohnungseigentümer treffen sollen/wollen und um welche Beschlüsse es im Einzelnen geht. Im Übrigen sind die Wohnungseigentümer über den Gegenstand des Absenkungsbeschlusses offensichtlich hinausgegangen. Denn bei der Entscheidung, einen Sicherungskasten im Sondereigentum zu verlegen, handelt es sich um keine Entscheidung "im Rahmen der Angebotsauswahl". Dies gilt auch für die Beauftragung von Wohnungseigentümer X. Denn auch dieser Gegenstand ist dem Absenkungsbeschluss nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen.