Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 29 Abs. 1 Satz 2 WEG
Kommentar
Bereits 1982 hatten Eigentümer den Mehrheitsbeschluss gefasst, "die Wahl von Nichteigentümern zu Beiräten ist dann zulässig, wenn es sich um Ehegatten eines Eigentümers handelt."
Auf jetzigen Antrag hin erklärt das Gericht diesen Beschluss für nichtig (Eingriff in den Kernbereich des Wohnungseigentums). Zum Kernbereich gehöre nicht nur der sachenrechtlich und dinglich geschützte Bereich, sondern auch die unmittelbar aus dem Eigentum fließenden zentralen Verwaltungs- und Mitbestimmungsrechte. Anerkannt sei dies in der Rechtsprechung auch hinsichtlich der Ausübung von Stimmrechten. Unter Hinweis auf die gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse gehe es bei einem bestellten Beirat um die Ausübung und Kontrolle zentraler Rechte der Wohnungseigentümer und um die Begleitung und Kontrolle der Wohnungseigentumsverwaltung. Die Übertragung dieser Befugnisse auf Nichtwohnungseigentümer stelle daher nach Auffassung des erkennenden Gerichts einen Eingriff in den Kernbereich des Wohnungseigentums dar und führe zur Nichtigkeit des entsprechenden Beschlusses.
Link zur Entscheidung
( AG Königstein, Beschluss vom 06.04.2000, 3 UR II 4/00, noch nicht rechtskräftig, mitgeteilt von Hausverwaltung Venema, Bad Soden a.Ts.).
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Die "Zitterbeschluss-Problematik" (hinsichtlich eines gesetzesändernden Beschlusses, wie vorliegend) scheint weiter zu eskalieren. Zur Frage des Status von Beiräten und der Zahl ging bisher die herrschende Rechtsmeinung bei § 29 Abs. 1 WEG unbestrittenermaßen von abdingbarem, d.h. nicht zwingendem Gesetzesrecht aus; dies bedeutete gleichzeitig die Möglichkeit, vom Gesetz abweichende sog. Zitterbeschlüsse zu fassen; Beschlüsse wären hier allenfalls (erfolgreich) anfechtbar, nicht allerdings nichtig. Bei abweichender Beschlussfassung hat hier bisher meines Wissens auch noch niemand von einem "Kernbereichseingriff" in das Wohnungseigentum gesprochen. Dass hier ein Gericht heute einen bereits länger als 18 Jahre zurückliegenden und sicher auch entsprechend praktizierten Beschluss für nichtig erklärt und als Kernbereichseingriff wertet, halte ich nicht für überzeugend und vertretbar. Damit wird bereits im Zuge der augenblicklichen "Zitterbeschluss"-Diskussion - wie von mir befürchtet, - die Differenzierung zwischen abdingbaren und zwingenden gesetzlichen Bestimmungen in Frage gestellt. Es scheint mir nunmehr an der Zeit, dass der BGH (hilfsweise: der Gesetzgeber) den vom BGH selbst geprägten Begriff des "Kernbereichs" so bald wie möglich näher definiert, will man die ständig wachsende Rechtsunsicherheit in diesem Teilbereich des Wohnungseigentumsrechts zumindest etwas verringern.