Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Mehrheitsbeschlussfassung auf Verkürzung einer Einladungsfrist auf 2 Wochen (auch rückwirkend für die aktuelle Versammlung) bei ausdrücklich in der Gemeinschaftsordnung vereinbarter Einladungsfrist von 4 Wochen bereits ohne Kausalitätsprüfung ungültig
Normenkette
§ 24 Abs. 4 WEG
Kommentar
1.In einer Gemeinschaftsordnung war eine Einladungsfrist von 4 Wochen ab Versendung des Einladungsschreibens vereinbart. Unter einem letzten Tagesordnungspunkt "Sonstiges" wurde in einer EV u.a. der Mehrheitsbeschluss gefasst, die Einladungsfrist auf 2 Wochen zu verkürzen und zwar rückwirkend auch für die vorliegende Versammlung. Ein Eigentümer focht alle Beschlüsse an unter Hinweis auf nicht eingehaltene Ladungsfrist der konkreten Versammlung und auch nicht möglicher Beschlussfassung unter einem TOP "Sonstiges" sowie sachlich auch nicht mehrheitlich beschließbarer Verkürzung der Ladungsfrist. In der mündlichen Verhandlung nahm der Antragsteller seine Anträge bis auf die Anfechtung des Beschlusses zur Verkürzung der Einladungsfrist als erledigt zurück, so dass allein noch über die Gültigkeit dieses Beschlusses und die gesamten Verfahrenskosten entschieden werden musste.
2.Das Gericht erklärte den unter TOP "Sonstiges" gefassten Beschluss über die Verkürzung der Einladungsfrist für ungültig, verurteilte die in Antragsgegnerschaft stehenden restlichen Eigentümer samtverbindlich in die Tragung der Gerichtskosten (ohne Ausspruch einer Erstattung außergerichtlicher Kosten) bei Geschäftswertansatz von DM 10.000,-.
Da hier in der Gemeinschaftsordnung mit Vereinbarungscharakter eine 4-wöchige Einladungsfrist festgeschrieben war, kann diese nicht mit einfacher Beschlussmehrheit verkürzt werden (erst recht nicht rückwirkend mit der Folge, dass dann die vorliegend bereits mit verkürzter Frist eingeladene Versammlung etwa als rechtzeitig angesehen wäre).
Aber auch bei streitiger Fortsetzung der restlichen Beschlussanfechtungsanträge wären die Antragsgegner unterlegen, so dass es angemessen und gerechtfertigt erschien, sie mit der Tragung der Gerichtskosten zu belasten. Sämtliche anderen angefochtenen Beschlüsse hätten bei streitiger Fortsetzung des Verfahrens ebenfalls für ungültig erklärt werden müssen (mangels Wahrung der Einladungsfrist). Auch wenn es sich bei § 24 Abs. 4 WEGnach h.M. um eine Sollvorschrift handelt, deren Verletzung nicht bereits zur Ungültigkeit gefasster Beschlüsse führen müsse, sei jedoch in vorliegendem Fall durch die Gemeinschaftsordnung eine bestimmte Frist ausdrücklich vereinbart worden, die sowohl für die Eigentümer als auch den Verwalter bindend gewesen sei. Wird eine solche vereinbarte Frist unterschritten, führt dies zur Fehlerhaftigkeit der Einladung mit der Folge, dass dann gefasste Beschlüsse auf Anfechtung hin für ungültig erklärt werden müssten (vgl. etwa Weitnauer, 8. Aufl. Rz. 7 zu § 24 WEG); wenn dort allerdings unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BayObLG die Auffassung vertreten wird, es müsse geprüft werden, ob dieser Einladungsmangel für das Zustandekommen der dann gefassten Beschlüsse ursächlich sei, so zeige das vorliegende Verfahren deutlich, dass es auf eine solche Kausalität hier nicht ankommen könne; denn die gleichen Beschlüsse wären offensichtlich auch dann gefasst worden, wenn die Verwaltung eine 3- oder auch - wie vereinbart - eine 4-wöchige Ladungsfrist eingehalten hätte. Bei vorliegend beachtlicher Präsenz (880 von 1.000 Stimmen) und eindeutig ausgefallenen Abstimmungsergebnissen sei die zu prüfende Frage, ob und ggf. wieviele Eigentümer zu den konkret anstehenden Themen anders als geschehen abgestimmt haben würden, wenn zwischen dem Zugang des Einladungsschreibens und dem Termin der Versammlung zwei weitere Wochen gelegen hätten, nicht zu beantworten. Über Vermutungen komme man hier nicht hinaus und eine Beweisaufnahme durch Befragung sämtlicher Miteigentümer über einen etwaigen bei ihnen in diesen beiden Wochen vollzogenen Sinneswandel liege offensichtlich neben der Sache und komme nicht in Betracht. Das Merkmal der Kausalität ist hier daher weder für die praktische Verwaltertätigkeit noch für das gerichtliche Verfahren brauchbar. Auch sonst sind Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung einzuhalten; warum hier durch einen Ursächlichkeitsnachweis "Neutralisierung" erfolgen müsste, sei nicht erkennbar.
Link zur Entscheidung
( AG München, Beschluss vom 21.11.1997, UR II 778/96 WEG/2, rechtskräftig).
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Wird eine Beschlussanfechtung allein auf Formfehler gestützt und zwar auf formelle Verstöße gegen abdingbares Gesetz, so ist nach herrschender Rechtsmeinung auf Kausalitätserwägungen abzustellen; steht danach für ein Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass eine Gemeinschaft bei Vermeidung eines Formfehlers in der Sache ebenso entschieden hätte, werden heute in solchen Anfechtungsverfahren allein auf formelle Beschlussrügen gestützte Anträge zurückgewiesen; bleiben für ein Gericht allerdings Zweifel, muss ei...