1 Leitsatz
Die Wohnungseigentümer sind nicht befugt, einen Beschluss, der rechtskräftig für ungültig erklärt ist, wortgleich zu wiederholen.
2 Normenkette
§ 18 Abs. 2 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen im Jahr 2018, für die Reparatur der Balkone und Loggien gemäß einem Angebot der W-GmbH ein Konzept erarbeiten und darüber hinaus bestimmte Fenster austauschen und Balkontüren erneuern zu lassen. Diesen Beschluss erklärt das AG rechtskräftig für ungültig, weil die Positionen "Fenster" und "Balkontüren" kein Gegenstand des Angebotes der W-GmbH waren.
Vor diesem Hintergrund beschließen die Wohnungseigentümer im Dezember 2020 erneut, das bereits seit 2018 vorliegende Konzept der W-GmbH anzunehmen und die Fenster und Balkontüren erneuern zu lassen, obwohl das Angebot der W-GmbH insoweit nicht ergänzt ist. U. a. aus diesem Grund geht Wohnungseigentümer K gegen den Beschluss im Wege der Anfechtungsklage vor. Außerdem rügt er, dass die im Angebot angegebene Bausumme nicht ausreiche, weil die Fenster und Balkontüren kein Teil der Kostenschätzung seien. Im Angebot fehlten außerdem die Kosten für Reparatur der Loggien, für deren Verkleinerung, für die Erneuerung der Fugen und für Nebenarbeiten an Fassade und Dach.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat Erfolg! Der Beschluss widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Die Wohnungseigentümer seien nach der rechtskräftigen Entscheidung über ihren ersten Beschluss nicht befugt gewesen, lediglich erneut das zu beschließen, was sie bereits beschlossen hatten. Zwar hätten Wohnungseigentümer ein Ermessen, ob ein Sanierungsplan beschlossen wird. Im Fall bestehe aber mittlerweile ein Anspruch darauf, dass ein Beschluss alle für die Erstellung eines Sanierungskonzeptes bekannten Umstände berücksichtigt. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb die Wohnungseigentümer erneut davon abgesehen hätten, das Sanierungskonzept auf die "Fenster" und "Balkontüren" zu erstrecken.
5 Hinweis
Problemüberblick
In der Entscheidung, die hier verkürzt auf das Wesentliche wiedergegeben wird, geht es – was das AG nicht unbedingt erkannt hat – um die dogmatische Frage, ob Wohnungseigentümer befugt sind, einen Beschluss, der rechtskräftig für ungültig erklärt wurde, wortgleich zu wiederholen.
Wiederholende Entscheidungen
Ein inhaltsgleicher Zweitbeschluss, der nicht zur Vermeidung formaler Fehler gefasst wurde, soll ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, wenn er allein in der Hoffnung gefasst wird, durch die Wiederholung werde die Minderheit die Anfechtungsfrist versäumen oder aufgrund psychischer oder finanzieller Erschöpfung auf die Anfechtung verzichten. Nach hier vertretener Ansicht besitzen Wohnungseigentümer schon keine Beschlusskompetenz, einen Beschluss, der bereits in einer Anfechtungsklage von einem Gericht rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, inhaltsgleich zu wiederholen, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände nicht geändert haben. Auch wenn die Wohnungseigentümer berechtigt sind, über eine schon geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen, verstößt die grundlose inhaltsgleiche Wiederholung früherer Beschlüsse, die bereits erfolgreich rechtskräftig angefochten worden sind, rechtsmissbräuchlich gegen den Kernbereich der Mitgliedschaft und ist unzulässig. Wiederholende inhaltsgleiche Beschlüsse haben zwar – auch dann, wenn sich die Umstände nicht geändert haben – nicht denselben Streitgegenstand, wenn sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten gefällt werden. Bei einer anderen Sichtweise und bloßen Anfechtbarkeit solcher Beschlüsse käme es aber zu einer unnützen Vermehrung von Anfechtungsverfahren und einer Erschwerung des Rechtsschutzes.
6 Entscheidung
AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 24.9.2021, 980a C 4/21