1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer muss vor Erhebung einer Beschlussersetzungsklage die anderen Wohnungseigentümer grundsätzlich mit dem Gegenstand der Beschlussersetzungsklage vorbefassen.
2 Normenkette
§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Es handelt sich um eine Zweiergemeinschaft. Wohnungseigentümer K klagt gegen Wohnungseigentümer B noch auf Basis des alten Rechts, Verwalter V zu ermächtigen, gegen B gerichtlich vorzugehen und von diesem namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Hausgeld zu verlangen. Vor dem Hintergrund des am 1.12.2020 in Kraft getretenen Rechts, erklärt K den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. B schließt sich dem nicht an. Nunmehr klagt K auf die Feststellung, dass die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden sei.
4 Die Entscheidung
Dies sieht das LG nicht so! Zwar sei der von K gestellte Antrag ausreichend bestimmt. Dies folge aus § 27 WEG in seiner neuen Fassung. Der Gesetzgeber habe sich danach dafür entschieden, dass nicht nur die Anforderung von Hausgeldern durch den Verwalter, sondern auch deren gerichtliche Beitreibung zur ordnungsmäßigen Verwaltung zähle und die Wohnungseigentümer den Verwalter nicht ermächtigen müssten (Hinweis auf Schultzky, ZWE 2021, S. 62 ff.). Die Wohnungseigentümer hätten nach §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 27 Abs. 2 WEG zwar die Möglichkeit, durch Vereinbarung oder durch Beschluss festzulegen, ab wann Rückstände beigetrieben werden. Ohne diese Beschränkung könne der Verwalter im aktuellen Recht die Hausgelder aber in beliebiger Höhe gerichtlich beitreiben lassen. Die Klage sei jedoch gleichwohl ursprünglich unbegründet gewesen. Denn K habe das Vorbefassungsgebot verletzt. Es habe nicht gereicht zu versuchen, nach § 23 Abs. 3 WEG einen Beschluss zu fassen. Denn kein Wohnungseigentümer sei verpflichtet, einem Beschluss im Rahmen eines Umlaufbeschlusses ohne vorherige Aussprache zuzustimmen.
5 Hinweis
- Die Entscheidung blickt zum einen nochmals in das alte Recht zurück. Hier meint sie, eine Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG a. F. sei unbegründet gewesen, wenn es der Kläger versäumt habe, zuvor in einer Versammlung einen Beschluss fassen zu lassen. Das stimmt – wenn es auch wohl eine Frage der Zulässigkeit ist. Das Gebot der Vorbefassung galt im alten Recht. Und es gilt im neuen Recht. Richtig ist auch, dass der Versuch, einen Beschluss außerhalb der Versammlung zu fassen, normalerweise nicht reicht. Was aber irritiert, ist der Umstand, dass es sich um eine Zweiergemeinschaft handelt. Hier wird es regelmäßig eine Förmelei sein, den anderen Wohnungseigentümer mit einem diesem missliebigen Gegenstand vorzubefassen. Im Fall war B aber sogar befasst worden und hatte dem Beschluss, dass der Verwalter ihn namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf die Zahlung von Hausgeld in Anspruch nehmen darf, nicht zugestimmt. Was will man da mehr?
Die Entscheidung blickt aber auch auf das "Jetzt". Die Dortmunder Richter meinen, ein Verwalter sei berechtigt, einen Wohnungseigentümer namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in beliebiger Höhe auf Hausgeld zu verklagen. Diese Aussage ist falsch. Richtig ist Folgendes:
- Ein Verwalter ist nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG berechtigt, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei einer Hausgeldklage zu vertreten. Seine Vertretungsmacht ist an dieser Stelle unbegrenzt. Auf die Frage, wieviel Hausgeld ein Wohnungseigentümer schuldet, kommt es nicht an. Dies ist das "Können".
- Ob ein Verwalter auch handeln darf, das "Dürfen", beantwortet § 27 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 WEG. Der Verwalter ist danach gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind. Fällt eine Hausgeldklage unter den zweiten Fall (Frist/Nachteil), darf der Verwalter handeln. Dieser Fall dürfte aber nicht einschlägig sein. Ob eine Hausgeldklage ohne Befassung der Wohnungseigentümer erhoben werden darf, ist daher nach dem ersten Fall (untergeordnete Bedeutung/nicht zu erheblichen Verpflichtungen führend) zu beantworten. Es ist mithin zu fragen, welche Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch die Hausgeldklage entstehen werden, für welche die Wohnungseigentümer nach § 9a Abs. 4 Satz 1 WEG haften. Ferner ist zu fragen, welche Bedeutung die Wohnungseigentümer einer Hausgeldklage beimessen. Die Antwort ist hier nur im Einzelfall zu geben.
- Um für Klarheit zu sorgen, sollte daher jeder Wohnungseigentümer unverzüglich einen Beschluss nach § 27 Abs. 2 WEG anstreben, der die offenen Fragen verbindlich beantwortet.
Beschlussmuster: Hausgeldklagen
Der Verwalter ist berechtigt, namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sämtliche ihrer Forderungen außergerichtlich und gerichtlich mithilfe eines von ihm zu bestimmenden Rechtsanwalts in sämtlichen Instanzen zu verfolgen und die Zwangsvollstre...