1 Leitsatz
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Beschluss über das "Ob" der in dieser Vorschrift genannten angemessenen baulichen Veränderungen (hier: solche, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen) verlangen. Über das "Wie" der Durchführung der baulichen Veränderungen entscheidet die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 WEG im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung. Der einzelne Wohnungseigentümer hat mithin keinen Anspruch auf eine bestimmte Durchführung der betreffenden baulichen Veränderung, solange das Ermessen der Gemeinschaft nicht aufgrund der Einzelfallumstände auf Null reduziert ist.
2 Normenkette
§§ 20 Abs. 1, Abs. 2, 44 Abs. 1 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K klagt auf Gestattung, auf dem gemeinschaftlichen Eigentum neben seinem Stellplatz eine Ladestation gemäß einem von ihm vorgelegten Ladeinfrastrukturkonzept errichten zu dürfen.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! K könne nicht die Gestattung der Errichtung einer Ladestation nach dem von ihm entwickelten Ladeinfrastrukturkonzept verlangen. K habe zwar nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG grundsätzlich einen Anspruch auf Gestattung baulicher Veränderungen, welche dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. K habe aber keinen Anspruch auf Gestattung des von ihm vorgelegten Ladeinfrastrukturkonzepts. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 WEG sei über die Durchführung privilegierter baulichen Veränderungen im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen. Damit enthalte § 20 Abs. 2 Satz 2 WEG eine Einschränkung des Individualanspruchs der einzelnen Wohnungseigentümer auf bauliche Veränderungen. Zwar könne jeder Wohnungseigentümer nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG einen Beschluss über das "Ob" solcher privilegierter baulicher Veränderungen verlangen. Dies beinhalte aber keinen Anspruch auf eine bestimmte Art und Weise der Durchführung. Der Wohnungseigentümer habe mithin keinen Anspruch auf eine bestimmte Durchführung der betreffenden baulichen Veränderung, solange das Ermessen der Gemeinschaft nicht aufgrund der Einzelfallumstände auf Null reduziert sei. Letzteres verkenne K, wenn er der Auffassung sei, er könne von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Gestattung des von ihm vorgelegten Ladeinfrastrukturkonzepts verlangen. Denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe sich dem Anspruch der einzelnen Wohnungseigentümer auf Schaffung von Lademöglichkeiten für elektrisch betriebene Fahrzeuge (dem "Ob" entsprechender baulicher Veränderungen) nicht verweigert. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe sogar bereits vor Inkrafttreten der WEG-Reform 2020 Unternehmen mit der Erstellung von Gesamtkonzepten zum Betreiben von Ladepunkten für E-Mobilität beauftragt. Diese Konzepte seien bislang zwar abgelehnt worden. Zugleich seien aber sämtliche Anträge von Wohnungseigentümern auf Anbringung einer Wallbox – insgesamt für 4 Stellplätze – angenommen worden. Hiermit habe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dem grundsätzlichen Anspruch auf Gestattung des "Ob" baulicher Veränderungen, die dem Laden elektrischer Fahrzeuge dienen, Folge geleistet. Sie habe aber ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie ein Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge einstweilen (nur) im Wege von entsprechenden Wallboxen zulassen möchte und deswegen den Antrag des Klägers auf Gestattung des von ihm vorgelegten Ladeinfrastrukturkonzepts, welches stattdessen die Schaffung deutlich weitergehender, auf die (öffentliche) Nutzung durch zahlreiche Fahrzeuge angelegte Lademöglichkeiten für den Außenstellplatz des Klägers vorsehe, abgelehnt.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob es einen Anspruch auf eine konkrete privilegierte bauliche Veränderung gibt. Das LG meint, die Antwort auf diese Frage laute: nein. Dem ist zuzustimmen! Etwas Anderes gilt nur dann, wenn sich das Ermessen, eine bestimmte privilegierte bauliche Veränderung zu gestatten, ausnahmsweise auf Null reduziert hat.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Entscheidung der Wohnungseigentümer über das "Wie" der nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG zu gestattenden baulichen Veränderungen darf im Ergebnis nicht dazu führen, den Anspruch des Klägers auf die privilegierte bauliche Veränderung der Sache nach zu vereiteln. Im Fall war es nicht so. Denn es ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf einen entsprechenden – bislang nicht gestellten – Antrag des Klägers in der Versammlung auch diesem die Anbringung einer Wallbox oder einer für den Außenbereich vergleichbaren Einrichtung gestatten würde.
6 Entscheidung
LG Stuttgart, Urteil v. 5.7.2023, 10 S 39/21