Leitsatz

Werden in einer Versammlung, die nicht beschlussfähig ist, Beschlüsse gefasst, sind diese nicht ordnungsmäßig.

 

Normenkette

WEG §§ 25 Abs. 3, 29

 

Das Problem

  1. Die Wohnungseigentümer beschließen, die Wohnungseigentümer K, B und C zu Verwaltungsbeiräten zu bestellen. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er rügt unter anderem, die Versammlung sei nicht beschlussfähig gewesen. Nach der Gemeinschaftsordnung sei in Abweichung zu § 25 Abs. 3 WEG in der Wohnungseigentumsanlage eine Versammlung nur dann beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Stimmrechte vertreten sei. Daran habe es gefehlt. In der Wohnungseigentumsanlage gebe es 36 Stimmrechte. Auf der Versammlung seien aber nur 14 Wohnungseigentümer persönlich anwesend gewesen. Die Vertretung von 7 weiteren Wohnungseigentümern durch den Verwalter sei wegen der in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Vertreterklausel, wonach sich ein Wohnungseigentümer nur durch Ehegatten, Familienangehörige oder andere Wohnungseigentümer vertreten lassen könne, unwirksam gewesen.
  2. Das Amtsgericht folgt K und erklärt den Beschluss für ungültig. Wohnungseigentümer K fehle nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da er selbst zum Verwaltungsbeirat gewählt worden sei und diese Wahl auch angestrebt habe. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass K den von ihm gerügten Verfahrensmangel schon anlässlich der Abstimmung gekannt habe. Die Versammlung sei tatsächlich nicht beschlussfähig im Sinne von § 25 Abs. 3 WEG in Verbindung mit der Gemeinschaftsordnung gewesen. Entgegen der Gemeinschaftsordnung hätten sich 7 Wohnungseigentümer vom Verwalter vertreten lassen. Das Stimmrecht eines Wohnungseigentümers ausüben dürften nach der Gemeinschaftsordnung aber nur Ehegatten, Familienangehörige oder andere Wohnungseigentümer. Anhaltspunkte dafür, dass es den beklagten Wohnungseigentümern unzumutbar gewesen wäre, eine in der Gemeinschaftsordnung benannte Person zu ihrem Vertreter zu bestellen, bestünden nicht. Soweit sich die beklagten Wohnungseigentümer auf den Standpunkt stellten, dass der Verwalter ohnehin an der Versammlung teilnehme, weshalb dessen Bevollmächtigung von der Gemeinschaftsordnung gedeckt sei, würden sie verkennen, dass der Wortlaut der Gemeinschaftsordnung eine solche Übertragung des Stimmrechts nicht hergebe und eine Bevollmächtigung nur ausnahmsweise in Betracht komme.
  3. Hiergegen richtet sich die Berufung. Die beklagten Wohnungseigentümer meinen, dass das Interesse, gemeinschaftsfremde Einwirkungen fernzuhalten, nicht verletzt sein könne, wenn eine Person, die zwar nach dem reinen Wortlaut der Vertreterklausel nicht vertreten dürfe, aber schon deswegen an der Versammlung teilnehmen werde und dürfe, weil sie ein eigenes Teilnahmerecht habe.
 

Die Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg. Wohnungseigentümer K habe ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage. Die Versammlung sei nicht beschlussfähig gewesen.

Rechtsschutzbedürfnis

  1. Das Amtsgericht habe zu Recht angenommen, dass K über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm erhobene Anfechtungsklage verfüge. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei im Anfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen, weil das Anfechtungsrecht dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung diene. Da das Anfechtungsrecht nicht allein dem persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers oder dem Minderheitenschutz diene, habe K seine Anfechtungsbefugnis auch nicht dadurch verloren, dass er dem Beschlussantrag, der unter anderem seine Bestellung zum Verwaltungsbeirat beinhaltete, zugestimmt habe. Das Rechtsschutzbedürfnis bestehe grundsätzlich auch für den Wohnungseigentümer, der dem angefochtenen Beschluss zugestimmt habe. In der Zustimmung zu dem Beschlussantrag liege kein Verzicht auf das Anfechtungsrecht.
  2. Eine Anfechtungsbefugnis bestehe allerdings nicht, wenn die Gültigkeit des Beschlusses nur wegen eines Verfahrensmangels infrage gestellt werde und der Kläger dem Beschluss zugestimmt hatte, obwohl ihm der Verfahrensmangel schon in der Versammlung bekannt gewesen sei. Fechte ein Wohnungseigentümer in einem solchen Fall den Beschluss an, setze er sich mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch. Die Geltendmachung des Anfechtungsrechts sei dann als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig anzusehen (Hinweis auf OLG Karlsruhe v. 5.12.2002, 11 Wx 6/02, Rn. 11 – juris). Es sei indessen nicht ersichtlich, dass die Frage der Beschlussfähigkeit bzw. der Wirksamkeit der Bevollmächtigung des Verwalters durch 7 Miteigentümer bereits Gegenstand der Erörterungen auf der Versammlung gewesen sei und K trotz des ihm bekannten Verfahrensmangels mit ja gestimmt habe.

Beschlussfähigkeit und Vertreterklausel

  1. Die Versammlung sei nicht beschlussfähig gewesen. Der Verwalter habe die 7 Wohnungseigentümer nicht vertreten können. Nach der Vertreterklausel sei eine Vertretung durch den Verwalter nicht möglich gewesen. An der Wirksamkeit der Vertreterklausel bestünden keine Bedenken. Grundsätzlich könnten die Wohnu...

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