1 Leitsatz
Wenn der klagende Wohnungseigentümer in der Klage (datiert nach dem 1.12.2020) als Beklagte "die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnungseigentumsanlage WEG …" bezeichnet und diese Klage dem Verwalter zugestellt wird, so ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht die Beklagte. Unter Beibehaltung der Parteiidentität ist eine vorgezogene Parteiberichtigung nicht möglich.
2 Normenkette
§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG; § 319 ZPO
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K erhebt nach dem 1.12.2020 eine Anfechtungsklage gegen die anderen Wohnungseigentümer. Fraglich ist, ob man darin eine Klage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sehen kann.
4 Die Entscheidung
Das AG verneint die Frage! Die Klage richte sich gegen die falsche Beklagte. Dies sei kein Fall einer Rubrumsberichtigung. Schon nach altem Recht habe man zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und den übrigen Wohnungseigentümern in Bezug auf die Parteirolle in einem Prozess unterscheiden müssen. Es sei auch nicht möglich, die Klage auszulegen. Dies sei schon "nach der alten Rechtslage vom BGH auf der Passivseite eindeutig abgelehnt worden". In diesem Fall scheide eine Berichtigung aus und es bedürfe eines Parteiwechsels.
Das Gericht schließe sich dem im Fall an. Es müsse daher gem. § 44 Abs. 2 WEG eine neue Anfechtungsklage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erhoben werden und ein Parteiwechsel stattfinden, wobei dabei die Frist des § 45 WEG nicht gehalten werden könne mit der Konsequenz, dass sowohl die gegenwärtig streitgegenständliche Klage als auch eine eventuell noch kommende Klage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als unbegründet abgewiesen werden müssten.
5 Hinweis
Problemüberblick
Seit dem 1.12.2020 sind die Beschlussklagen, also die Anfechtungsklage (= die Klage im Fall), Nichtigkeitsklage und Beschlussersetzungsklage, nach § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Bis dahin waren die Beschlussklagen gegen die Wohnungseigentümer zu richten.
Für eine Übergangszeit war zu erwarten, dass Wohnungseigentümer diese Rechtslage noch nicht kennen und versehentlich noch die Wohnungseigentümer verklagen. Da die Anfechtungsfrist für eine Anfechtungsklage nach § 45 Satz 1 WEG nur 1 Monat beträgt, kann ein Wechsel der Klage auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dort kaum fristgemäß gelingen. Für die Nichtigkeitsklage und Beschlussersetzungsklage stellt sich dieses Problem nicht, da es dort keine Klagefrist gibt.
Einhaltung der Klagefrist
Die Anfechtungsklage muss nach § 45 Satz 1 WEG innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden. Die Klagefrist wird nicht durch eine gegen einen Dritten gerichtete Klage gewahrt. Nach Ansicht des BGH zum alten Recht galt etwas anderes, wenn versehentlich statt der Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagt wurde. Da diese Ausnahme mit § 44 WEG a. F. begründet wurde, ist sie obsolet und nicht auf den Fall übertragbar, dass die Wohnungseigentümer verklagt werden (Müller in Hügel, Wohnungseigentum, 5. Aufl., § 17 Rn. 105; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Aufl., Kap. 14 Rn. 110; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 1. Aufl., Rn. 1898).
Dem AG ist also zuzustimmen! Gegebenenfalls ist im seltenen Einzelfall § 45 Satz 2 WEG anwendbar und kann dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (s. auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Aufl., Kap. 14 Rn. 112).
6 Entscheidung
AG Suhl, Beschluss v. 25.6.2021, 1 C 348/20