Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Das Gericht kann selbst im Falle eines Stimmrechtsmissbrauches (durch einen majorisierenden Eigentümer) nicht einen fehlerhaften sog. Negativ-Beschluss durch einen positiven Beschluss ersetzen
Ein gestellter Antrag auf Feststellung einer erfolgten Verwalterwahl kann allerdings in einen Antrag auf gerichtliche Bestellung als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung umgedeutet werden
Ein solcher Anspruch steht neben dem auf gerichtliche Notverwalterbestellung
Normenkette
§ 21 Abs. 4 WEG, § 25 WEG, § 26 Abs. 1 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, § 140 BGB
Kommentar
1. In der Ausnutzung der Stimmenmehrheit eines majorisierenden Eigentümers kann ein nach § 242 BGB unzulässiger Rechtsmissbrauch zu Lasten der übrigen Eigentümer (in Minderheit) liegen, der zur Ungültigkeit eines Eigentümerbeschlusses führt. Ein solcher mit den Stimmen des beherrschenden Eigentümers gefasster Beschluss ist auch dann für ungültig zu erklären, wenn er den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung widerspricht; insoweit ist stets auf den Einzelfall abzustellen (h.R.M.).
Wird nun über die Wahl einer anderen Verwaltung abgestimmt und hier mit der Stimmenmehrheit eines Eigentümers eine Bestellungs-Beschlussfassung verhindert (negatives Abstimmungsergebnis, sog. Negativ-Beschluss), ist das Gericht nicht befugt, einen solchen Negativ-Beschluss durch einen positiven Beschluss mit dem antragstellerseits gewünschten Inhalt zu ersetzen (ebenfalls h.R.M.).
2. Der auf Feststellung der Wahl einer neuen Verwaltung gerichtete Antrag ist allerdings auf gerichtliche Bestellung umzudeuten. An die Bestimmtheit eines Antrages im Wohnungseigentumsverfahren sind geringere Anforderungen zu stellen als im Zivilprozess. Das Gericht hat hier den Willen der Antragstellerseite zu erforschen und ohne Bindung an den gestellten Antrag in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Die unzulässige Anfechtung eines Negativ-Beschlusses kann also in einen zulässigen Antrag auf Vornahme einer "majorisierend" abgelehnten Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG umgedeutet werden (auch allgemeine Meinung).
3. Auf Antrag eines Eigentümers kann das Wohnungseigentumsgericht einen Verwalter nicht nur unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 WEG gem. § 43 Abs. 1 Nr. 3 WEG bestellen (gerichtlicher Notverwalter), sondern auch gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG zur Verwirklichung des Anspruchs eines Eigentümers auf ordnungsgemäße Verwaltung, der sich aus § 21 Abs. 4 WEG ergibt (wie BayObLG, NJW-RR 89, 461; WE 97, 115/116; KG Berlin, E 90, 21111; Weitnauer/Hauger; Münchner Kommentar, Röll; Niedenführ/Schulze; Gottschalg, WE 98, 242, 246; anderer Ansicht jedoch Staudinger/Bub und Bärmann/Merle).
4. Vorliegend war kein wichtiger Grund zu erkennen, der einer Bestellung der neuen Verwaltung (weiteren Beteiligten) zur Verwalterin der Wohnanlage entgegenstünde; solche Gründe wurden gegnerseits auch nicht vorgetragen. Auch ein seinerzeit vom Gericht bestellter Notverwalter kann sich selbst wieder im Rahmen anstehender Bestellungs-Beschlussfassung zur Wahl stellen (vgl. BayObLG, NJW-RR 89, 461).
5. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert für diese Instanz von DM 8.280 (Höhe des Verwalterentgelts für die Dauer der Bestellung der neuen Verwaltung).
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 25.03.1999, 2Z BR 169/98)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung