Leitsatz
Die Parteien hatten im Jahre 2003 in Ägypten geheiratet und waren Anfang Oktober dieses Jahres gemeinsam nach Deutschland gezogen. Sie stritten um das Recht des Vaters auf unbegleiteten Umgang mit der im Jahre 2004 geborenen gemeinsamen Tochter.
In Ägypten hatten die Parteien vor der Eheschließung einen Ehevertrag geschlossen, der u.a. das Verbot der Beschneidung von aus der Ehe hervorgegangenen Mädchen vorsah. Seit Ende 2005 lebten die Parteien dauernd getrennt. Die Tochter lebte bei der Mutter.
Nach der Trennung der Parteien fand der Umgang des Vaters zunächst im Haus der Großmutter mütterlicherseits statt, seit Juli 2006 erfolgte ein 14-tägiger Umgang für ca. 1 Stunde beim Kinderschutzbund.
Der Vater begehrte unbetreuten Umgang. Er habe nie damit gedroht, die Tochter zu entführen und beabsichtige auch nicht, dies zu tun. Es bestehe auch nicht die Gefahr einer Beschneidung der Tochter. Diese Gefahr sei schon durch die notarielle Vereinbarung der Parteien ausgeschlossen. Auch er empfinde eine Beschneidung als nicht zeitgemäß und grausam.
Das erstinstanzliche Gericht hat den Antrag auf unbegleiteten Umgang des Vaters für die Dauer eines Jahres ab Zustellung der Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten und Vernehmung von Zeugen zurückgewiesen sowie dem Vater untersagt, die Tochter außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschlands zu bringen.
Zur Begründung hat das erstinstanzliche Gericht ausgeführt, die Einschränkung des Umgangsrechts des Vaters sei aus Gründen des Kindeswohls erforderlich.
Der Vater hat gegen den erstinstanzlichen Beschluss befristete Beschwerde eingelegt, mit der er sein Ziel wöchentlichen unbetreuten Umgangs mit der Tochter weiterverfolgte.
Sein Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, das AG habe zu Recht einen unbegleiteten Umgang des Vaters mit der Tochter abgelehnt.
Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts komme nur unter den engen Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 BGB in Betracht, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich sei.
Vorliegend habe das AG das Recht des Vaters auf unbegleiteten Umgang für die Dauer eines Jahres ab Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung ausgeschlossen. Damit liege eine Einschränkung des Umgangsrechts des Vaters über einen längeren Zeitraum vor, die nur bei einer Kindeswohlgefährdung gerechtfertigt sei.
Diese Voraussetzung sei hier gegeben. Die von der Mutter ebenso wie von der Verfahrenspflegerin befürchtete Gefahr einer Entführung und Genitalverstümmelung der Tochter für den Fall eines unbegleiteten Umgangs könne derzeit nicht vollständig ausgeschlossen werden. Eine Genitalverstümmelung stelle eine Kindeswohlgefährdung dar. Hierbei sei ohne Belang, ob der Eingriff ärztlich überwacht oder unter unzureichenden hygienischen Bedingungen erfolge. In jedem Fall liege eine durch nichts zu rechtfertigende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des betroffenen Mädchens vor. Die Folgen seien irreversibel und führten zu lebenslangen Beeinträchtigungen.
Die gegenwärtige Gefahr einer Genitalverstümmelung könne nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht ausgeschlossen werden. Zwar habe der Vater sowohl schriftsätzlich als auch anlässlich seiner Anhörung immer wieder betont, er lehne Genitalverstümmelungen ab. Hieraus könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass damit keine Gefahr für die gemeinsame Tochter der Parteien bestehe. Traditionell sei die Beschneidung Sache der Großfamilie und werde nicht in der Kernfamilie entschieden. Der Kindesvater habe bisher seine Familie nicht darüber informiert, dass die Tochter nicht beschnitten werden solle. Selbst wenn er angebe, die Entscheidung sei allein seine Sache, sei es ihm ein Leichtes, die Familie umfassend hierüber zu informieren und damit einen Teil der Bedenken der Mutter auszuräumen. Dies habe er jedoch nicht getan.
Solange der Entschluss, die gemeinsame Tochter nicht beschneiden zu lassen, nicht glaubhaft von der gesamten Großfamilie des Vaters mitgetragen werde, komme ein unbegleiteter Umgang zwischen Vater und Tochter nicht in Betracht. Insoweit müsse das Recht des Vaters hinter dem Schutz des Kindes zurücktreten.
Dies könne auch nicht durch mildere Maßnahmen gewährleistet werden. Allein durch ein Ausreiseverbot sei die Tochter ebenso wenig zu schützen, wie durch die von dem Vater angebotene Überlassung seiner Ausweispapiere für die Dauer des Umgangs, da unstreitig auch in EU-Staaten Genitalverstümmelungen durchgeführt würden.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.05.2008, 16 UF 3/08