Leitsatz
Unter Umständen, wie denen des Ausgangsverfahrens, unter denen eine Muttergesellschaft eine Beteiligung an einer gebietsfremden Tochtergesellschaft hält, die es ihr ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser ausländischen Tochtergesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, stehen die Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) und 58 EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG) einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die für eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft die Möglichkeiten einschränkt, Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften steuerlich auszugleichen.
Normenkette
§ 2a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG, Art. 52, Art. 58 EGV, Art. 43, Art. 48 EG
Sachverhalt
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (ITS), ein Unternehmen der Fremdenverkehrsbranche, hatte in den Niederlanden eine Tochtergesellschaft (BV I) gegründet, deren gesamte Anteile sie hielt. Ebenfalls in den Niederlanden gründete die BV I eine Beteiligungsgesellschaft, eine weitere BV II, deren Anteile sie zu 100 % hielt. Letztere erwarb außerdem u.a. 100 % der Anteile an einer im Vereinigten Königreich niedergelassenen Ltd. und 36 % der Anteile an einer in Spanien niedergelassenen SA.
Die ITS nahm in ihren Jahresabschlüssen 1993 und 1994 Teilwertabschreibungen auf den Beteiligungswert an ihrer niederländischen Tochtergesellschaft BV I und Wertberichtigungen auf Forderungen gegenüber den beiden im Vereinigten Königreich und in Spanien niedergelassenen Tochtergesellschaften ihrer Enkelgesellschaft vor. Die außerordentlichen Aufwendungen beliefen sich für die Steuerjahre 1993 und 1994 insgesamt auf mehr als 46 Mio. DM.
Das FA versagte die Abschreibung wegen § 2a EStG 1990.
Das FG teilte die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken der Klägerin und richtete ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ...
Entscheidung
... das dieser im Sinn der Klägerin beantwortete.
Der EuGH sah in der Abschreibungsbeschränkung sowohl eine Ungleichbehandlung als auch eine Freiheitsbeschränkung der deutschen Muttergesellschaft. Diese werde ungünstiger behandelt als eine Muttergesellschaft mit nur inländischen Beteiligungen.
Hinweis
1. Die Abzugsbeschränkungen des § 2a EStG sind bekanntlich in den Fokus des Europarechts geraten. Es wird insoweit nur auf die diversen jüngsten Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zum Abzugsauschluss von Betriebsstättenverlusten im Ausland verwiesen: die BFH-Beschlüsse vom 28.6.2006, I R 84/04 BFH-PR 2006, 508 (= EuGH C-414/06"Lidl Belgium"); vom 22.8.2006, I R 116/04, BFH-PR 2006, 510 (= EuGH C-415/06"Stahlwerk Ergste-Westig"); vom 29.11.2006, I R 45/05, BFH-PR 2007, 211, (= EuGH C-157/07"Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH").
2. In Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a beschränkt § 2a EStG auch den Abzug von Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen an einer Körperschaft ohne Sitz und Geschäftsleitung im Inland. Ein Verlustausgleich ist nur mit Gewinnen der nämlichen Einkunftsart aus demselben Staat im Veranlagungs- oder in einem Folgejahr möglich, in dem im Ausland entsprechende Gewinne erzielt werden. Dieser Nachteil relativiert sich allerdings gem. § 2a Abs. 2 EStG, wenn die Tochtergesellschaft im Ausland "aktive" Einkünfte erzielt oder selbst eine mindestens 25 %ige Beteiligung an einer anderen "aktiv" tätigen ausländischen Kapitalgesellschaft hält. Eine Ausübung von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr im Ausland schließt den Verlustabzug von vornherein aus.
3. Der EuGH belässt keinen Zweifel daran, dass diese gegen die EG-vertraglich verbürgte Niederlassungsfreiheit verstößt:
Der Schutzbereich dieser Freiheit ist eröffnet. Der EuGH sah in dem Abschreibungsausschluss sowohl eine Ungleichbehandlung als auch eine Beschränkung der deutschen Muttergesellschaft. Diese werde unter vergleichbaren Umständen ungünstiger behandelt als eine Muttergesellschaft mit nur inländischen Beteiligungen.
4. Eine Rechtfertigung für diese Beschränkungen lässt sich nicht finden.
Grundsatz der ausgewogenen Aufteilung des Steueraufkommens zwischen den Mitgliedstaaten: Dieser Grundsatz greife nicht. Er könne nicht begründen, weshalb einem Steuerpflichtigen "systematisch" ein Steuervorteil in grenzüberschreitenden Zusammenhängen versagt werde, weil dieser Steuerpflichtige sich nicht in einer Weise betätige, die dem Mitgliedstaat unmittelbar Steuereinnahmen verschaffe.
Befürchtung einer doppelten Verlustberücksichtigung: Diese Befürchtung greife hier schon deswegen nicht, weil es um ein und dieselbe Person, also um eigene Verluste der Muttergesellschaft gehe.
Gefahr von Steuerumgehungen: Diese Gefahr rechtfertige eine Beschränkung nur bei Einschaltung "rein künstlicher Konstruktionen". Davon könne bei passiven Tätigkeiten im Fremdenverkehrssektor nicht von vornherein ausgegangen werden. Das gelte umso weniger, als § 2a EStG in seinem Abs. 2 "aktive" Tätigkeiten aufliste, die dem Verbot nicht unterworfen seien.
Steueraufsicht: Wie (fa...