1 Leitsatz
Der Gebührenstreitwert für wohnungseigentumsrechtliche Beschlussklagen entspricht in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer (= Rechtsmittelstreitwert).
2 Normenkette
§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; § 49 GKG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen im Jahr 2018 die Finanzierung von Maßnahmen im Rahmen einer Notgeschäftsführung. Dagegen gehen die Wohnungseigentümer 6, 7, 8, 9 und 23 vor. Das AG gibt der Klage statt. Auf die hiergegen eingelegte Berufung ändert das LG das AG-Urteil unter Abweisung der Klage im Übrigen dahingehend ab, dass die Ungültigerklärung lediglich auf die Klagen der Kläger zu 6 und 7 hin erfolgt. Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger zu 8, 9 und 23 (Beschwerdeführer).
4 Die Entscheidung
Der BGH meint, die Nichtzulassungsbeschwerde sei unzulässig! Es sei bereits zweifelhaft, ob das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer fortbestehe, nachdem der angefochtene Beschluss bereits rechtskräftig für ungültig erklärt worden sei. Ein Rechtsschutzinteresse könne sich jedenfalls nicht daraus ergeben, dass die Beschwerdeführer weitere Anfechtungsgründe geltend machten, die nicht der Grund für die erfolgte Ungültigkeitserklärung gewesen seien. Einzelne Beschlussmängel seien nur Teile des einheitlichen Streitgegenstandes einer Anfechtungsklage. Jedenfalls übersteige der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nicht 20.000 EUR. Die Ansicht der Beschwerdeführer, es komme auf den Gebührenstreitwert an, sei falsch. Denn der Gebührenstreitwert für Beschlussklagen entspreche in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer. Maßgebend sei vielmehr das Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung des angefochtenen Urteils, das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten sei. Der Senat schätze dieses Interesse im Fall auf insgesamt nur 10.119,88 EUR.
5 Hinweis
Problemüberblick
Zum BGH kommt man nur, wenn die Revision zugelassen ist oder der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 EUR übersteigt.
Beschwer
Im Fall war vor allem fraglich, ob die Beschwer dem Gebührenstreitwert entspricht. Dies lehnt der BGH ab. So sieht er es auch bei anderen Beschlussklagen. Dogmatisch dürfte das Gegenteil richtig sein.
Streitgegenstand
Der BGH bestätigt seine Ansicht, einzelne Beschlussmängel seien nur Teile des einheitlichen Streitgegenstandes einer Anfechtungsklage. Damit kann man gut leben!
Gebührenstreitwert
Der BGH hat den Gebührenstreitwert auf 50.594,40 EUR festsetzt. Dabei legt der Senat in Bezug auf das Gesamtinteresse mangels anderer Anhaltspunkte den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Wert von 1.713.313,08 EUR zugrunde. So geht er häufig vor. Wer das verhindern will, muss seinen Mund in den Instanzen aufmachen. Wenn nicht, erlebt man beim BGH häufig sein blaues Wunder. Wie im Fall.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen sich über den Streitwert für Rechtsmittel in der Regel nicht kümmern. Anders ist es nur, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer klagt. Hierzu sollte man die Rechtsprechung kennen, jedenfalls aber finden.
6 Entscheidung
BGH, Beschluss v. 23.2.2023, V ZR 255/21