Problemüberblick

Nach § 9a Abs. 2 WEG übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Durch diese Regelung wird die Ausübungskompetenz der Gemeinschaft der Eigentümer auf sämtliche Ansprüche erweitert, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben. Dieser ausschließlichen Ausübungszuständigkeit der Gemeinschaft unterfallen insbesondere Ansprüche gegen einen Wohnungseigentümer auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung des gemeinschaftlichen Eigentums. Davon umfasst sind auch Ansprüche auf Beseitigung baulicher Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums und Wiederherstellung des vorherigen Zustands.

Übergangszeit

Wie in der vorstehenden Entscheidung (BGH, Urteil v. 7.5.2021, V ZR 299/19) berichtet, können die Wohnungseigentümer einen "Altkläger" ausbremsen. So war es im Fall. Das besondere Moment liegt darin, dass der Verwalter die Frage selbst entschieden hat – wenn auch nach einer Nachfrage bei den Wohnungseigentümern. Diesen Weg halte ich nicht für richtig und nicht für ordnungsmäßig. Nicht der Verwalter, sondern die Wohnungseigentümer sollten nach der Information durch einen Beschluss entscheiden, ob sie den klagenden Wohnungseigentümer gewähren lassen, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Störer gerichtlich vorgehen soll oder ob man sich mit diesem außergerichtlich vergleicht und dem Kläger die Prozessführungsbefugnis entzieht.

Der Verwalter sollte für alle Entscheidungen Beschlussvorlagen entwickeln. Der Verwalter sollte aber keinen Rat geben, welchen Weg die Wohnungseigentümer gehen sollten. Ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Bekämpfung der Störung in die Hand nehmen soll – dies legt das neue Recht mit vielen Argumenten nahe (ansonsten gäbe es § 9a Abs. 2 WEG nicht) – können nur die Wohnungseigentümer entscheiden. Sinnvoll ist hingegen eine anwaltliche Beratung. Diese darf der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG in der Regel organisieren. Entscheiden sich die Wohnungseigentümer für ein Vorgehen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der einen oder anderen Weise, muss der Verwalter unverzüglich das Gericht schriftlich informieren.

Störungen des Sondereigentums

Wird durch eine unzulässige bauliche Veränderung das Sondereigentum gestört, ist dessen Eigentümer berechtigt, wegen dieser Störung gegen die bauliche Veränderung vorzugehen. Dies ist kein Problem des § 9a Abs. 2 WEG. Ob es im Fall so lag, ist unklar. Jedenfalls in Bezug auf das Abluftrohr und die behaupteten Gerüche dürfte es aber naheliegen, dass das Sondereigentum gestört wurde. Es überrascht daher, dass die Kammer hierauf nicht näher eingeht.

Maßnahmen des Bauträgers

Im Fall hatte sich B u. a. mit dem Einwand verteidigt, der Bauträger habe das Abluftrohr angebracht. Träfe dies zu, läge keine bauliche Veränderung vor. Maßnahmen des Bauträgers können nicht als bauliche Veränderung verstanden werden, selbst dann, wenn sie nur einem Wohnungseigentümer nützen oder Gegenstand eines "Sonderwunschvertrags" sind.

Genehmigungen/Zustimmung des Verwalters

Der beklagte Wohnungseigentümer hatte sich außerdem mit dem Einwand verteidigt, der Verwalter habe ihm den Anbau eine Markise gestattet. Von diesem Einwand ist wenig zu halten. Eine bauliche Veränderung ist nur dann rechtmäßig, wenn die Wohnungseigentümer sie durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorgenommen oder sie einem Wohnungseigentümer gestattet haben (§ 20 Abs. 1 WEG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Wohnungseigentümer die bauliche Veränderung durch eine Vereinbarung gestattet haben.

Richtig ist, dass nach den in Deutschland üblichen Gemeinschaftsordnungen der Verwalter im Einzelfall sich auch zur Zulässigkeit der baulichen Veränderungen erklären und dieser zustimmen muss. Diese Zustimmung tritt aber grundsätzlich nur neben den Vornahme- oder Gestaltungsbeschluss bzw. eine Gestattungsvereinbarung.

Erkundigt sich ein Wohnungseigentümer nach der Rechtmäßigkeit einer baulichen Veränderung, sollten sich die Verwaltungen eher "bedeckt" halten. Sie dürfen keinesfalls den Eindruck erwecken, es sei an ihnen, über die Rechtmäßigkeit der baulichen Veränderung zu entscheiden. Aktuell stellt sich diese Frage bei der E-Mobilität. Hier halte ich es für vorstellbar, dass die Verwaltung und ein Wohnungseigentümer beispielsweise für die Anbringung einer Wallbox "informell" eine Verabredung treffen, damit die "Wallbox" schnell installiert werden kann, ohne darüber sofort Beschluss fassen zu müssen. Bei dem Gespräch muss aber deutlich werden, dass die Anbringung der Wallbox nur dann rechtmäßig ist, wenn die Eigentümer dies nach § 20 Abs. 1 WEG beschlossen haben.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge