Zusammenfassung
Zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer einer GmbH oder eine von ihm beherrschte Gesellschaft kann ein sog. besonderer Vertreter bestellt werden.
Zum Sachverhalt
Der vom BGH entschiedene Fall befasst sich mit der Möglichkeit zur Bestellung eines besonderen Vertreters für Klageverfahren gegen Geschäftsführer und mit ihnen verbundene Unternehmen.
Eine GmbH hatte Anteile an einer Tochtergesellschaft verkauft. Mit der Käuferin der Anteile kam es später zum Streit vor Gericht. Das Gerichtsverfahren finanzierte die GmbH nicht selbst, sondern sie schloss einen Prozessfinanzierungsvertrag mit einer weiteren Gesellschaft. Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer dieser den Prozess finanzierenden Gesellschaft war zugleich Geschäftsführer der GmbH.
Ab 2015 stritten die GmbH und die den Prozess finanzierende Gesellschaft über die Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags. Die GmbH klagte schließlich gegen die den Prozess finanzierende Gesellschaft auf Feststellung, dass der Prozessfinanzierungsvertrag nie wirksam zustande gekommen war. Die GmbH wurde in diesem Klageverfahren nicht durch ihre Geschäftsführer vertreten, sondern sie hatte zur Klageerhebung einen Rechtsanwalt als besonderen (organschaftlichen) Vertreter der Gesellschaft ermächtigt.
Erstinstanzlich wurde die Klage abgewiesen. Auch die Berufung hatte keinen Erfolg, sodass sich die GmbH mit ihrer Revision an den Bundesgerichtshof wandte.
Das Urteil des BGH vom 30.11.2021 (Az. II ZR 8/21)
Die Revision hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hatte die Klage noch für unzulässig gehalten und gemeint, dass die GmbH im Prozess nur von einem Geschäftsführer vertreten werden könne. Der von der GmbH zur Klageerhebung ermächtigte besondere Vertreter besitze hingegen nicht die erforderliche gesetzliche Vertretungsbefugnis; die GmbH sei daher nicht prozessfähig. Diese Ansicht teilte der BGH nicht. Die Vertretung der Gesellschaft durch einen besonderen Vertreter sei gerade in Fällen wie dem vorliegenden angezeigt. Das gelte auch, wenn nicht der Geschäftsführer selbst, sondern "nur" eine von diesem mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werde.
Praxishinweis
In Gerichtsprozessen wird die GmbH normalerweise von ihren Geschäftsführern vertreten. Diese mandatieren wiederum Rechtsanwälte im Namen der GmbH und unterzeichnen die Prozessvollmacht.
Bei gerichtlichen Verfahren der GmbH gegen ihren Geschäftsführer (z.B. für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen nach § 43 GmbHG durch die GmbH oder Klagen des Geschäftsführers gegen seine Abberufung) stößt dieser Grundsatz allerdings an Grenzen. Es drohen Interessenkonflikte, wenn der Geschäftsführer auf Kläger- und Beklagtenseite eingebunden ist. Diese Gefahr besteht nicht nur, wenn der Geschäftsführer direkt in Anspruch genommen wird, sondern auch, wenn sich eine Klage gegen die von ihm (mittelbar) beherrschte Gesellschaft richtet. Darauf hat der BGH in seinem Urteil vom 30.11.2021 zu Recht aufmerksam gemacht.
Klar ist vor diesem Hintergrund: Der Geschäftsführer darf nicht auf beiden Seiten des Prozesses stehen – die GmbH muss in solchen Fällen durch andere Personen vertreten werden. Es steht dazu der GmbH zum einen frei, sich durch ihre sonstigen, nicht betroffenen Geschäftsführer vertreten zu lassen. Die Gesellschafterversammlung kann aber auch durch Beschluss einen sog. besonderen Vertreter bestellen, der sie im Gerichtsverfahren vertritt (§ 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG). Dieser kann, muss aber nicht Gesellschafter sein. Es kann sogar der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt selbst als besonderer Vertreter bestellt werden (er hat dann eine Doppelrolle als Prozessanwalt und organschaftlicher Vertreter der GmbH).
Die Gesellschafter der GmbH können zwischen diesen Möglichkeiten frei wählen. Sie können einen besonderen Vertreter insbesondere auch bestellen, wenn weitere Geschäftsführer vorhanden sind (so war es auch im vom BGH entschiedenen Fall). Das kann gerade dann sinnvoll sein, wenn es den anderen Geschäftsführern – auch ohne, dass sie von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden – an der in einer solchen Situation erforderlichen Unvoreingenommenheit fehlt (z.B. wegen einer besonderen Verbundenheit zum Mitgeschäftsführer).