Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Mangels fristgerechter Anfechtung bestandskräftig gewordener (nicht nichtiger) baulicher Veränderungsbeschluss (hier: Erstherstellung eines Kabelanschlusses) bindet alle Eigentümer auch hinsichtlich anteiliger Kostentragungspflicht
Normenkette
§ 10 Abs. 3 WEG, § 14 WEG, § 16 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 23 Abs. 4 WEG
Kommentar
1.Ein Eigentümer hatte versäumt, einen entsprechenden Kabelanschluss-Mehrheitsbeschluss der Gemeinschaft form- und fristgerecht anzufechten; in einer Folgeversammlung wurde sein Wunsch, unter Berufung auf das Grundrecht negativer Informationsfreiheit vom Anschluss und von anteiliger Kostentragungspflicht freigestellt zu weden, mehrheitlich abgelehnt. Sein neuerlicher Nichtigkeitsfeststellungsantrag gegen den früheren Beschluss wurde als unbegründet abgewiesen.
2.Auch ein etwaiger Eingriff in das Grundrecht der Informationsfreiheit (hier: in der Form der negativen Rundfunkfreiheit) führt keineswegs zur Nichtigkeit eines Versammlungsbeschlusses, da die Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe darstellen und hinsichtlich privater Rechtsverhältnisse lediglich eine sogenannte Drittwirkung ausüben; eine solche "Drittwirkung" führt im Rahmen baulicher Veränderungen zur Notwendigkeit, den Eigen-"Nachteil" im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG im Lichte dieses Grundrechts zu werten und zu konkretisieren. Fällt in einem Eigentümer-Versammlungsbeschluss diese Wertung und Konkretisierung anders aus, als dies ein Antragsteller gerne sehen würde, hat er den Beschluss rechtzeitig anzufechten (vorliegend nicht geschehen).
3. Er hat in diesem Fall auch keinen Anspruch auf Befreiung anteiliger Kostentragungspflichten (insbesondere für die Erstherstellung des Kabelanschlusses), wenn die Gemeinschaft diesen Kabelanschluss als Gemeinschaftsaufgabe angesehen, durchgeführt und auch entsprechend abgerechnet hat.
Auch eine anteilige Kostenbelastung ist allerdings auch als "Nachteil" im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG anzusehen; aber auch dieser Nachteil muss in einem rechtzeitigen Beschlussanfechtungsverfahren geltend gemacht werden. Versäumt ein Eigentümer diese Anfechtungsfrist, verbleibt es auch bei seiner anteiligen Kostenzahlungsverpflichtung. Der gegenteiligen Auffassung des OLG Hamm, Beschluss v. 24. 3. 1997, Az.: 15 W 314/96(= WE 10/1997, 387) kann nicht gefolgt werden. Diese Senats-Entscheidung bricht ohne Not und ohne Vorlage an den BGH mit allem, was bisher zu § 16 Abs. 3 WEGvertreten wurde und führt zu unkalkulierbaren Kostenrisiken derjenigen Eigentümer, die sich mit ihrer Stimmabgabe für die Durchführung einer baulichen Veränderung ausgesprochen haben. Dieses unkalkulierte Kostenrisiko beeinträchtigt damit auch die Freiheit der Stimmabgabe. Die Entscheidung des OLG Hamm wird deshalb noch einer eingehenden Diskussion bedürfen, die im vorliegenden Verfahren jedoch nicht veranlasst ist. Unrichtig ist auch schon der erste Ansatzpunkt des OLG, zu fragen, ob der Beschluss über die Vornahme einer baulichen Veränderung dahin gehend ausgelegt werden könne oder nicht ausgelegt werden dürfe, dass er auch eine Entscheidung über die Kostentragungspflicht enthält. Einer solchen Auslegung bedarf es nicht. Denn jeder Beschluss über eine bauliche Veränderung, der nicht ausdrücklich im Einzelfall eine von der Teilungserklärung abweichende Kostenzuordnung bestimmt, führt automatisch bei der dann folgenden Abrechnung zur Fortgeltung des allgemein maßgebenden Verteilungsschlüssels. Es geht nicht an, dass in einer zulässigen Ersatzversammlung z.B. weniger als die Hälfte aller vorhandenen Stimmen anwesend oder vertreten sind, dass dort eine vielleicht als Reparaturmaßnahme angesehene bauliche Veränderung mit 300/1.000stel Ja-Stimmen gegen 150/1.000stel Nein-Stimmen mehrheitlich beschlossen wird und dass nach Rechtsbeständigkeit dieses Beschlusses nur 30% der Eigentümer die gesamten Kosten der Maßnahme tragen sollen (!).
4.Auch außergerichtliche Kostenerstattung zu Lasten des Antragstellers, dessen neuerliche Verfahrensführung als mutwillig zu bezeichnen war; Geschäftswertansatz von DM 10.000,-.
Link zur Entscheidung
( AG München, Beschluss vom 22.10.1997, UR II 494/97 WEG/2, offensichtlich rechtskräftig)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Dem Entscheidungsergebnis insbesondere zur nach wie vor umstrittenen Grundsatzfrage der Anwendung des § 16 Abs. 3 WEG bei sog. Zitterbeschlüssen über bauliche Veränderungsmaßnahmen durch die Gesamtgemeinschaft ist (auch unter ergänzendem Hinweis meinerseits auf m.E. insoweit vorrangige Grundsätze des § 10 Abs. 3 u. 4 WEG) vollinhaltlich zuzustimmen. Das Entscheidungsergebnis entspricht auch diesseitiger Kritik an der Entscheidung des OLG Hamm, Beschluss v. 24. 3. 1997, Az.: 15 W 314/96.