Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 Abs. 2 WEG, § 15 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG
Kommentar
1. Bereits 1975 hatte eine Gemeinschaft einstimmig und bestandskräftig beschlossen, dass ein Restaurant-Eigentümer alle Kellerräume (mit diversen weiteren Maßgaben) für seinen Gaststättenbetrieb nutzen dürfe; im Austausch hierzu musste er auf Sondernutzungsrechte am Spitzboden im Dachgeschoss zugunsten der restlichen Wohnungseigentümer verzichten und den Spitzbodenraum den Eigentümern zur eigenen Nutzung als Abstellraum zur Verfügung stellen. Der Beschluss wurde auch in der Folgezeit grundbuchrechtlich verwirklicht und umgesetzt.
In neuerlicher Eigentümerversammlung von 1996 kam es zum Thema dieser "Kellernutzung" zu neuerlicher Beschlussfassung, "die nicht genehmigte Nutzung der gemeinschaftlichen Kellerräume ab gesetzter Frist zu unterlassen und nach fruchtlosem Verstreichen der Frist die Verwaltung zu beauftragen, einen Rechtsanwalt einzuschalten und mit der weiteren Verfolgung zu betrauen". Auch dieser Beschluss blieb unangefochten und führte zum hier zu entscheidenden Verfahren.
2. Der Beschluss von 1975 ist rechtswirksam zustande gekommen, wurde einstimmig mit den Stimmen der damals anwesenden Eigentümer gefasst und blieb unangefochten. Ein solcher auf Änderung der Teilungserklärung abzielender Beschluss wäre allein anfechtbar gewesen, allerdings ist er mangels Überschreitung der Regelungskompetenz der Gemeinschaft nicht nichtig (h.M.). Nichtig und damit ohne Bindungswirkung sind nur solche Beschlussfassungen, die gegen unverzichtbare Rechtsvorschriften verstoßen oder in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums eingreifen, insbesondere auf Änderung der Eigentumsverhältnisse gerichtet sind (h.M.). Die hier beschlossene Nutzungsregelung berührt indes - jedenfalls sofern sie wie hier nicht in ein bereits begründetes Sondernutzungsrecht eingreift - weder den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums, noch verstößt sie gegen zwingende Rechtsvorschriften des WEG. Der BGH hat bereits in seinem Beschluss v. 21. 5. 1970 (BGHZ 54, 65, 69), dem ein Kellertausch von Wohnungseigentümern zugrunde lag, auf Vorlage des Senats insoweit allein auf die Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses hingewiesen, nicht jedoch Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt. Soweit das OLG Köln, Entscheidung v. 27. 9. 1991, Az.: 16 Wx 60/91= DWE 4/91, 155) und das OLG Karlsruhe (WE 91, 110) einem unangefochten gebliebenen Mehrheitsbeschluss, in dem einem Wohnungseigentümer das Sondernutzungsrecht an gemeinschaftlichem Eigentum eingeräumt wird, jegliche Rechtswirkung absprechen, folgt der Senat dem nicht. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den BGH sind hier dennoch nicht gegeben, weil sich der Senat wie bereits das BayObLG (WE 93, 342) in Einklang mit dessen Rechtsprechung sieht (BGHZ 15, 151, 153). Ist der in Rede stehende, die Gemeinschaftsordnung ändernde Beschluss der Gemeinschaft somit nicht nichtig, so ist er - da nicht angefochten - für alle Beteiligten verbindlich, selbst wenn an sich Allstimmigkeit (also eine Vereinbarung) notwendig gewesen wäre (vgl. auch BGH, NJW 95, 2036; WE 95, 183 und Schuschke, NZM 98, 737, 738).
3. Im vorliegenden Fall ist entgegen der Ansicht des LG auch nicht davon auszugehen, dass der neuerliche Beschluss den früheren Beschluss von 1975 geändert habe; dies lässt sich in richtiger Auslegung dem neuen Beschluss auch nicht entnehmen. Abgesehen davon, dass er nicht im Sinne einer Änderung auf den früheren Beschluss Bezug nimmt, befasst er sich auch nicht mit der Untersagung oder Einschränkung der durch den Beschluss von 1975 dem betroffenen Teileigentümer eingeräumten, also genehmigten Nutzung, sondern verlangt von diesem lediglich, die "nicht genehmigte Nutzung der gemeinschaftlichen Kellerräume durch die Firma zu unterlassen". Einen vom Erstbeschluss abweichenden Regelungsgehalt weist der neuerliche Beschluss der Gemeinschaft aus 1996 hiernach nicht auf. Insbesondere wird damit keineswegs die dort beschriebene Nutzung - bestandskräftig - als unberechtigt im Sinne des ursprünglichen Eigentümerbeschlusses definiert. Letzteres festzustellen wäre überdies Aufgabe des Richters und würde demnach die Regelungskompetenz einer Wohnungseigentümergemeinschaft überschreiten. Die nach früherem Beschluss erlaubte Nutzung wird durch den neuerlichen Beschluss von 1996 nicht widerrufen, auch nicht eingeschränkt oder gar bestandskräftig neu definiert. Ein solcher Regelungsgehalt kommt dem neuerlichen Beschluss (was in den Gründen näher ausgeführt wird) nicht zu.
4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung in allen drei Instanzen bei Wert des Beschwerdegegenstands von DM 12.000.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.10.1998, 3 Wx 310/98= NZM 8/1999, 378)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Es entspricht herrschender Rechtsmeinung, dass auch über Nutzungsfragen gemeinschaftlicher Räume durchaus Mehrheitsbeschlüsse gefasst werden können, die in Widerspruch zu entsprechenden Zweckbest...