Leitsatz

Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts des minderjährigen Kindes in einem gegen seine Mutter eingeleiteten Ermittlungsverfahren zu erfolgen hat.

 

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft führte gegen die allein sorgeberechtigte Mutter des am 6.9.2000 geborenen Minderjährigen ein Ermittlungsverfahren, dem der Tatvorwurf der Misshandlung von Schutzbefohlenen zugrunde lag. Die Kindesmutter hatte beim Familiengericht beantragt, für den Minderjährigen einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Dieser solle Angaben dazu machen, ob das Kind von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO Gebrauch mache oder eine Zeugenaussage zu den Tatvorwürfen machen werde.

Das Familiengericht (Rechtspfleger) hat mit Beschluss vom 15.3.2010 eine Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 BGB angeordnet mit den in Einzelpunkten untergliederten Wirkungskreisen, u.a. der Vertretung des Pfleglings in dem Ermittlungsverfahren gegen die Mutter sowie dem eventuell daraus resultierenden Strafverfahren.

Gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft wandte sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde, mit der sie geltend machte, die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft sei nicht geboten, weil kein Anfangsverdacht gegen sie angenommen werden könne.

Das Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG wies zunächst darauf hin, dass nicht die Argumentation der Mutter zum Erfolg des Rechtsmittels führe, da die Frage, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht einen Anfangsverdacht für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens annehme, vom Familiengericht in dem auf Bestellung eines Ergänzungspflegers gerichteten Verfahren nicht zu prüfen sei. Die Entscheidung darüber, ob die im jeweiligen Einzelfall gegebenen Anhaltspunkte zur Annahme eines Anfangsverdachts ausreichten, obliege grundsätzlich der Staatsanwaltschaft. Dies gelte auch für den vorliegenden Fall.

Allerdings lägen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 Abs. 1 aus anderen Gründen nicht vor.

Die Bestellung eines Ergänzungspflegers stelle ein Eingriff in das Elternrecht des sorgeberechtigten Elternteils dar. Sie dürfe daher nur erfolgen, wenn sie geboten sei. Sie sei grundsätzlich nicht geboten, solange seitens der die Zeugenvernehmung beabsichtigenden Person bzw. Stelle, hier der Staatsanwaltschaft, nicht das Vorliegen der gesamten Voraussetzungen geprüft und festgestellt worden sei (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 1985, 1154; Schwab in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 1909 Rz. 32).

Soweit das BayObLG in seiner Entscheidung (FamRZ 1998, 257, mit krit. Anm. Gutowski S. 1330) zur Vermeidung einer ggf. erforderlichen zweifachen Vernehmung des Kindes eine Ausnahme von dieser gesetzlichen Vorgabe dann machen wolle, wenn es um den Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs gehe und von einer Aussagebereitschaft des Kindes ausgegangen werden könne, möge dahinstehen, ob dies gerechtfertigt sei. Der vorliegende Fall sei abgesehen davon, dass es nicht um den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gehe, vor allem deshalb anders gelagert, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass das minderjährige Kind selbst überhaupt aussagebereit sei. Sollte es nicht aussagebereit sein, wäre diese Entscheidung auch dann zu akzeptieren, wenn ihm die nötige Verstandesreife i.S.d. § 52 Abs. 2 S. 1 StPO fehlen würde, wofür hier angesichts seines Alters viel sprechen dürfte.

Bei dieser Sachlage sei jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nicht gerechtfertigt.

 

Link zur Entscheidung

OLG Bremen, Beschluss vom 22.09.2010, 4 UF 91/10

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