Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Normenkette
§ 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG, § 43 Abs. 1 WEG, § 45 Abs. 2 WEG, § 12 FGG, Art. 103 GG
Kommentar
1. Am Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG sind sämtliche Wohnungseigentümer materiell beteiligt; wer materiell beteiligt ist, muss auch formell beteiligt, also zum Verfahren zugezogen werden; die Notwendigkeit der Beteiligung ergibt sich aus § 45 Abs. 2 S. 2 WEG, wo bestimmt ist, dass die gerichtliche Entscheidung für alle Beteiligten bindend ist; sie ist außerdem ein Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG und der Sachaufklärung nach § 12 FGG (BayObLG, WE 92, 203 m. w. N.). Einer der Ausnahmefälle, in denen die Beteiligung aller Wohnungseigentümer nicht erforderlich ist (vgl. BayObLG, DWE 90, 66 m.w.N.), liegt vorliegend nicht vor, da auch andere Wohnungseigentümer von dem Vorgang betroffen sind.
2. Wer formell am Verfahren zu beteiligen ist, dem sind Anträge, Termine, Beteiligtenvorbringen, Ermittlungsergebnisse und Entscheidungen mitzuteilen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann durch Einschaltung des Verwalters als Zustellungsvertreter nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG beteiligt werden. Dabei wirkt die Zustellung an den Vertreter für und gegen die Wohnungseigentümer; unerheblich ist, ob die Wohnungseigentümer durch den Verwalter informiert werden. Allerdings tritt diese Wirkung nur ein, wenn für den Verwalter eindeutig erkennbar ist, dass an ihn als Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer zugestellt oder mitgeteilt worden ist (BGHZ 78, 166/170; BayObLG, WE 89, 55 und 95, 251).
3. Die unterlassene Beteiligung übriger Wohnungseigentümer hat nach § 27 Abs. 1 S. 2 FGG, §§ 550, 551 Nr. 5 ZPO zwingend die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und die Zurückverweisung zur Neuverhandlung und Entscheidung zur Folge (- wie hier - BayObLG, NJW-RR 91, 849). Allerdings ist dieser absolute Aufhebungsgrund nur dann gegeben, wenn ein Beteiligter überhaupt nicht zum Verfahren hinzugezogen wurde, d.h. bei völliger Versagung des rechtlichen Gehörs (BayObLG, WE 92, 203).
4. Im vorliegenden Fall fehlte es an einer formellen Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer, wenn das Gericht dem Verwalter ein eingeholtes Sachverständigengutachten nicht als Zustellungsvertreter der übrigen Wohnungseigentümer, sondern (nur) im Rahmen der Sachaufklärung zur Stellungnahme zugeleitet hat.
5. Hauptsacheerledigung war hier ebenfalls noch nicht eingetreten. Das Gericht hat zwar eine tatsächlich eingetretene Erledigung der Hauptsache selbst noch im dritten Rechtszug von Amts wegen zu beachten und einen Antrag abzuweisen, wenn der Antragsteller der Erledigung nicht Rechnung trägt (vorliegend zu verneinen). Erledigung der Hauptsache tritt ein, wenn sich die Sach- und Rechtslage durch ein Ereignis derart verändert hat, dass der Verfahrensgegenstand fortgefallen ist und die Fortführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 28.03.1996, 2Z BR 21/96)
Zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren