Leitsatz

  • Gestattungspflicht, die Wohnung betreten lassen zu müssen, berührt das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung

    Betretungsrecht nur bei ausreichenden Anhaltspunkten für die Notwendigkeit von Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen

 

Normenkette

§ 14 Nr. 4 WEG, Art. 13 GG, § 12 FGG

 

Kommentar

1. Das BayObLG entschied mit folgenden Leitsätzen:

a) Die Verpflichtung eines Wohnungseigentümers, zur Durchführung erforderlicher Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen das Betreten seiner Wohnung zu gestatten, berührt den Schutzbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG). Bei Auslegung und Anwendung des § 14 Nr. 4 WEG ist daher Bedeutung und Tragweite dieses Grundrechts zu berücksichtigen.

b) Die Verpflichtung eines Wohnungseigentümers, das Betreten seiner Wohnung zu gestatten, besteht auch dann, wenn festgestellt werden soll, ob Maßnahmen der Instandsetzung oder Instandhaltung in Betracht kommen. Voraussetzung ist aber, dass ausreichende Anhaltspunkte für die Notwendigkeit solcher Maßnahmen vorliegen.

2. Auch durch die Wohnung des Antragsgegners verlief ein Heizungsrohr, das der Versorgung anderer Wohnungen diente. In der über der Wohnung des Antragsgegners liegenden Wohnung wurden durchgerostete Heizungsrohre bereits ausgewechselt. Antragstellerseits wurde nun behauptet, dass auch dieses in der Wohnung des Antragsgegners verlaufende Heizungsrohr schadhaft sei. Das Amtsgericht hat die Verpflichtung des Antragsgegners ausgesprochen, das Betreten der Wohnung für Untersuchungen auf Instandsetzungsbedürftigkeit und ggf. auch zum Zwecke einer Instandsetzung zu gestatten (notfalls über gewaltsame Öffnung). Das Landgericht bestätigte diese Entscheidung mit dem Argument, dass aufgrund der Verrottung der Heizungsrohre in der darüberliegenden Wohnung die Befürchtung begründet sei, dass auch das durch die Wohnung des Antragsgegners führende Heizungsrohr gleichen Alters und gleicher Konstruktion reparaturbedürftig sei. Insoweit müsse ein fachkundiger Handwerker eine etwaige Instandsetzungsnotwendigkeit überprüfen, was das Betreten der Wohnung zu diesem Zweck erforderlich mache.

3. Das BayObLG ging ebenfalls von einer grds. Betretungs-Gestattungsverpflichtung aus, wenn das Betreten erforderlich sei, um Feststellungen darüber zu treffen, ob Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung notwendig seien; es müssten allerdings konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass solche Maßnahmen in Betracht kämen. Insoweit sei der Schutzbereich des Art. 13 GG (Schutz der Wohnung und des privaten Lebens vor Störungen) zu beachten. Was"die Erforderlichkeit" des § 14 Nr. 4 WEG betreffe, seien deshalb strenge Anforderungen an das Betretungsrecht zu stellen. Allein eine Durchrostung der Rohre in anderer Wohnung sei noch kein ausreichender Grund, von gleicher Sachlage auch in der Wohnung des Antragsgegners auszugehen, zumal dieser vorgetragen habe, dass die in der Wohnung darüber horizontal verlaufenden Rohre von außen durchgerostet seien und dort nicht ausreichend isoliert worden seien; auf eine Reparaturbedürftigkeit der durch seine Wohnung vertikal im Mauerwerk verlaufenden Rohre könne deshalb daraus nicht geschlossen werden. Diesem schlüssigen Sachvortrag hätte das Landgericht nachgehen müssen ( § 12 FGG). Er sei geeignet, die Verpflichtung des Antragsgegners in Frage zu stellen, seine Wohnung betreten lassen zu müssen, zumal es mit einer bloßen Besichtigung nicht getan wäre. Es könne durchaus auf die andere Verlegungsart ankommen, was nur durch einen Sachverständigen geklärt werden könnte. Die erforderlichen Feststellungen durch einen Sachverständigen könnten entweder anhand der vorliegenden Lichtbilder und sonstigen Unterlagen in Zusammenhang mit der Auswechslung der Rohre in der darüberliegenden Wohnung oder durch Befragen des damit beauftragten Unternehmens getroffen werden.

4. Aus diesem Grund musste die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen werden (Geschäftswert DM 5.000,-).

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 27.06.1996, 2Z BR 16/96= BayObLGZ 1996 Nr. 36)

Zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung

Anmerkung:

Besteht eine nicht offensichtlich unbegründete Befürchtung, dass auch in der Wohnung eines Eigentümers im Gemeinschaftseigentum stehende Heizungsrohre schadhaft sein könnten, müsste m. E. eine Verpflichtung auch zur örtlichen Überprüfung und damit eine Wohnungsbetretungs-Gestattung aus übergeordneten Gemeinschaftsinteressen anerkannt werden, ohne insoweit in zu einschränkender Weise auf den genannten Grundrechtschutz der Unverletzlichkeit einer Wohnung abstellen zu müssen; auch insoweit müsste eine Einschränkung dieses Grundrechtschutzes aus Gemeinschaftsinteressen heraus zu bejahen sein, vor allen Dingen dann, wenn etwaige Sanierungsnotwendigkeiten innerhalb einer Wohnung schneller, effizienter und verbindlicher festgestellt werden könnten als nur auf mittelbarem und umständlichem Wege (Lichtbilder, Unterlagen, Befragung eines beauftrag...

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