Leitsatz
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Amtsermittlungspflicht des Betreuungsgerichts bei der Bestellung eines Betreuers in einem Fall auseinandergesetzt, in dem das Kind des Betroffenen als Betreuer zur Verfügung stand und gleichwohl vom Betreuungsgericht ein Berufsbetreuer eingesetzt wurde.
Sachverhalt
Die Betroffene litt an einer Multiinfarktdemenz und war nicht mehr in der Lage, ihre Angelegenheiten selbständig zu besorgen. Auch zur Frage der Betreuerbestellung konnte sie einen freien Willen nicht bilden.
Sie erteilte ihrem einzigen Sohn eine Vorsorgevollmacht und legte gleichzeitig fest, dass er - falls dennoch eine rechtliche Betreuung notwendig sei - zum Betreuer bestellt werden solle. Die Frage der Wirksamkeit der von der Betroffenen erteilten Vollmacht konnte nicht geklärt werden. Anlässlich ihrer persönlichen Anhörung äußerte sie mehrfach den Wunsch, der Sohn solle sich um ihre Angelegenheiten kümmern.
Das AG hat für die Betroffene Betreuung angeordnet und einen Berufsbetreuer mit umfassendem Aufgabenkreis bestellt. Dabei überging das erstinstanzliche Gericht den Sohn der Betroffenen wegen Zweifeln an der Wirksamkeit der Vollmacht, insbesondere ab wegen Zweifeln an dessen Eignung und Redlichkeit.
Bei dieser Einschätzung stützte sich das AG ausschließlich auf Mitteilungen von Mitarbeitern von Sozialdiensten, Sozialbehörden und Pflegevereinen. Eine Anhörung des Sohnes erfolgte nicht.
Gegen den erstinstanzlichen Beschluss legte der Sohn Beschwerde ein, die erfolglos blieb.
Auf die Rechtsbeschwerde des Sohnes hat der BGH den Beschluss aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen.
Entscheidung
Der BGH hat in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Betreuungsgericht nach § 1897 Abs. 4 S. 2 BGB einen Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person zum Betreuer zu bestellen, zu entsprechen habe, sofern die Bestellung des vorgeschlagenen Betreuers dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderlaufe. Ein solcher Vorschlag des Betroffenen erfordere in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Ein Kind des Betroffenen, das zu diesem persönliche Beziehungen unterhalte und von diesem wiederholt als Betreuer gewünscht werde, sei bei der Auswahl des Betreuers besonders zu berücksichtigen. Ein Berufsbetreuer dürfe nur dann bestellt werden, wenn wichtige Gründe des Wohls des Betroffenen der Bestellung des Kindes entgegenständen.
Dies ergebe sich aus den vom Gesetzgeber im Betreuungsrecht getroffenen Wertentscheidungen. § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB statuiere das Vorschlagsrecht des Betroffenen, einem solchen Vorschlag dürfe nur dann nicht gefolgt werden, wenn es dessen Wohl nicht entspreche. § 1897 Abs. 5 BGB schreibe die Berücksichtigung der verwandtschaftlichen und persönlichen Beziehungen des Betroffenen, insbesondere zu dessen Kindern, bei der Auswahl des Betreuers vor. § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB stelle das Rangverhältnis zwischen ehrenamtlicher Betreuung und Berufsbetreuung ausdrücklich klar, wonach die Berufsbetreuung subsidiär ist.
Aus diesen gesetzlichen Anforderungen resultierten hohe Anforderungen an die tatrichterliche Amtsermittlungspflicht. Ziehe der Tatrichter die Eignung und Redlichkeit eines Kindes aufgrund von Mitteilungen Dritter in Zweifel, müsse er das Kind zu diesen Umständen persönlich anhören. Weder das AG noch das LG seien dieser Verpflichtung nachgekommen. Als tatrichterliche Basis einer Entscheidung, durch die ein Kind des Betroffenen, obschon mit diesem persönlich verbunden und von diesem wiederholt als Betreuer übergangen werde, könne eine solche Verfahrensweise nicht hingenommen werden. Die an eine ermessensfehlerfreie amtswegige Tatsachenermittlung zu stellenden Anforderungen seien nicht erfüllt.
Hinweis
Die Entscheidung des BGH ist rechtlich zutreffend und inhaltlich zu begrüßen.
Das LG hatte durch die unterlassene Anhörung des Sohnes der Betroffenen in grober Weise gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Für im Betreuungsrecht tätige Rechtsanwälte ist diese Entscheidung von erheblicher Bedeutung und zeigt deutlich, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, sich gegen ermessenfehlerhaftes Vorgehen der Betreuungsgerichte bei der Bestellung von Betreuern mit höchstrichterlicher Rückendeckung zu Wehr zu setzen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 15.12.2010, XII ZB 165/10