Leitsatz
Einem allein betreuenden Elternteil ist ein Vollzeitjob nicht zwingend zumutbar, beschied der BGH in seiner 1. Grundsatzentscheidung nach der Reform. Grund: Die Betreuung insbesondere in den Abendstunden könnte neben einer vollschichtigen Erwerbspflicht überobligatorisch sein.
Sachverhalt
Die für Unterhaltsansprüche ab Januar 2008 geltende gesetzliche Neuregelung hat den nachehelichen Betreuungsunterhalt und den Betreuungsunterhalt der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes auch zur Dauer einander weitgehend angeglichen. Allerdings kann danach in beiden Fällen zunächst nur für die Dauer von mindestens 3 Jahren nach der Geburt Betreuungsunterhalt verlangt werden. Verlangt der betreuende Elternteil aus Billigkeitsgründen Unterhalt über diese Dauer hinaus, muss er die Gründe dafür darlegen und beweisen, was eine individuelle Beurteilung der Verhältnisse erfordert. Neben kinderbezogenen Gründen können auch elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts sprechen. Verlängerungsmöglichkeit beim nachehelichen Betreuungsunterhalt wiegen bei längerem Zusammenleben oder bei einem gemeinsamen Kinderwunsch schwerer. Grund für einen solchen Anspruch: Es kann auch bei älteren Kindern für den betreuenden Elternteil eine so große Doppelbelastung entstehen, dass nur ein Teilzeitjob zumutbar ist. Denn zusätzlich zur Betreuung insbesondere in den Abendstunden könnte eine vollschichtige Erwerbspflicht überobligatorisch sein.
Geklagt hatte eine unverheiratete Mutter. Vom Ex-Freund, mit dem sie zwei inzwischen 8 und 10 Jahre alte Kinder hat, verlangte sie Unterhalt für deren Betreuung. Das Paar lebte mehrere Jahre zusammen, die Frau hat noch ein weiteres Kind aus einer früheren Ehe und war früher als Fernmeldetechnikerin berufstätig. Das OLG Düsseldorf hatte ihr – noch nach der alten Gesetzeslage – Zahlungen nur bis zum 6. Geburtstag des jüngsten Kindes zugestanden. Jetzt machte sie Ansprüche über das 7. Lebensjahr hinaus geltend. Der Vater hatte gegen gehalten, die Mütterbetreuung sei nicht mehr das Grundmodell. Dass die Frau zeitig nach Geburt der Kinder wieder in den Job ginge, entspreche heutiger, moderner Lebensgestaltung.
Nach der Reform gilt grundsätzlich die Drei-Jahres-Frist für Familien mit und ohne Trauschein, allerdings mit erleichterter Verlängerungsmöglichkeit. Wer länger als 3 Jahre Betreuungsunterhalt verlangt, muss zunächst nachweisen, dass er keine ausreichenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten hat.
Doch selbst wenn ein Ganztagesplatz in Kita oder Schule gesichert ist, stellt sich die lebensnahe Frage, ob dem Alleinbetreuenden ein Vollzeitjob zumutbar ist, weil die Bedürfnisse der Kinder ja nicht mit dem Schulgong der Ganztagesbetreuung enden.
Im aktuell entschiedenen Fall mutete der BGH der Mutter lediglich einen Teilzeitjob zu. Die Argumentationskette: Nach der Arbeit muss das Kind abgeholt, verköstigt, versorgt, gefördert, bespielt und ins Bett gebracht werden. Dies könne zu einer "überobligatorischen Belastung" der Betreuungsperson führen. Deshalb muss in diesem Fall die Mutter, trotz Vollzeitunterbringungen, nicht ganztags arbeiten gehen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 16.07.2008, XII ZR 109/05.