Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhalt: Befristung des Betreuungsunterhalts
Leitsatz (amtlich)
1. Die gesetzliche Neuregelung des § 1570 BGB verlangt keinen abrupten, übergangslosen Wechsel von der elterlichen Betreuung zur Vollzeiterwerbstätigkeit.
2. Von einem Elternteil, der ein Kind betreut, das den Kindergarten oder die beiden ersten Grundschulklassen besucht, wird man in der Regel keine Vollbeschäftigung verlangen können.
3. Nach Inkrafttreten des UÄndG ist dem betreuenden Elternteil eine Überlegungsfrist zuzubilligen.
4. Voraussetzungen der Befristung des Betreuungsunterhalts nach § 1578b BGB.
Normenkette
BGB §§ 1570, 1570 Abs. 1 Sätze 2-3, Abs. 2, § 1578b
Verfahrensgang
AG Erfurt (Urteil vom 17.04.2008; Aktenzeichen 36 F 853/05) |
Tenor
Dem Antragsgegner wird Prozesskostenhilfe für die Rechtsverfolgung in der Berufungsinstanz gegen das Urteil des AG - FamG - Erfurt vom 17.4.2008 (36 F 853/05) verweigert (§ 114 ZPO).
Gründe
I. Die Parteien streiten noch um nachehelichen Ehegattenunterhalt. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner auf monatlichen Nachscheidungsunterhalt i.H.v. zunächst 600 EUR und ab 21.12.2007 i.H.v. 544 EUR ab Rechtskraft der Ehescheidung in Anspruch genommen. Die Parteien haben am 6.3.1999 vor dem Standesbeamten des Standesamtes Erfurt die Ehe miteinander geschlossen; sie haben sich am 4.7.2004 getrennt. Das AG Erfurt hat die Ehe durch Urteil vom 10.5.2007 geschieden. Das Scheidungsurteil ist laut Rechtskraftvermerk des AG seit 28.8.2007 rechtskräftig, nachdem die Antragstellerin ihre Berufung am 23.7.2007 zurückgenommen hat.
Die Antragstellerin ist 1964 in China, geboren und ist chinesische Staatsangehörige; sie ist ohne Beruf und erhält Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Antragsgegner ist 1964 geboren und deutscher Staatsangehöriger. Aus der Ehe der Parteien ist das gemeinsame Kind W. T. (geboren 2001 in China) hervorgegangen. Das Kind lebt bei der Kindesmutter; es hat einen Kindergarten besucht und wurde im Sommer 2007 eingeschult.
Die Antragstellerin hat den Antragsgegner auf Trennungsunterhalt in Anspruch genommen. Die Parteien haben am 16.2.2005 einen gerichtlichen Unterhaltsvergleich vor dem AG Erfurt (34 F 1274/04) geschlossen, in dem der Ehemann sich verpflichtet hat, ab 1.4.2005 an seine Ehefrau einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 255 EUR und einen monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 600 EUR zu zahlen.
Das AG Erfurt hat den Antragsgegner durch Urteil vom 6.9.2007 (36 F 1162/06) verpflichtet, an die Antragstellerin dieses Verfahrens in Abänderung des Vergleichs vom 16.2.2005 einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 190 EUR ab 1.5.2006 und i.H.v. 231 EUR ab 1.5.2007 sowie einen monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 574 EUR ab 1.4.2006 und i.H.v. 544 EUR ab 1.5.2007 zu zahlen. Das AG ist davon ausgegangen, dass der Antragsgegner über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.695 EUR netto verfügt. Das AG hat eine Mangelfallberechnung vorgenommen und dabei berücksichtigt, dass W. im Mai 2007 sechs Jahre alt geworden ist. Das AG ist weiter davon ausgegangen, dass die Kindesmutter keine Verpflichtung treffe, einer Teilerwerbstätigkeit nachzugehen, da der Betreuung von W. eine besondere Bedeutung zukomme, die eingeschult werde. Die Kleinfamilie lebe isoliert. Für W. beginne eine neue Lebensphase, die mit Unsicherheiten verbunden sei. Für die Kindesmutter werde es im Hinblick auf ihre schlechten Deutschkenntnisse besonders schwer sein, W. im Schulalltag zu begleiten. Aufgrund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse und des Fehlens einer in Deutschland verwertbaren Berufsausbildung sei es der Kindesmutter nicht zuzumuten, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die Kindesmutter stamme aus einem völlig anderen Kulturkreis. Sie sei eine ängstliche Person, die sich nur ganz wenigen Menschen öffne. Es sei zu einem Entwurzelungsprozess gekommen. Sie sei daher vor Erreichen des 8. Geburtstages von W. nicht verpflichtet, eine Tätigkeit aufzunehmen. Das AG hat im Verfahren auf Trennungsunterhalt von einer Befristung des Unterhalts abgesehen, weil die weitere Entwicklung noch nicht prognostizierbar sei.
Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren (Nachscheidungsunterhalt) vorgetragen, auf der Grundlage ständiger Rechtsprechung könne dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit erst ab einem Alter von mindestens 8 Jahren zugemutet werden. Da das Kind W. erst sechs Jahre alt sei, erstrecke sich der Anspruch der Antragstellerin auf nachehelichen Unterhalt wegen Kindesbetreuung mindestens bis Mai 2009. Da bis zu diesem Zeitpunkt von der Antragstellerin eine Erwerbstätigkeit aus den vorgenannten Gründen nicht verlangt werden könne, könne erst danach eine Prüfung über die Weiterzahlung von nachehelichen Unterhalt auf gleicher oder anderer Grundlage erfolgen. Die Forderung des Antragsgegners, die Antragstellerin zur Arbeitsaufnahme zu verpflichten, entbehre daher jeglicher rechtlicher Grundlage. Nunmehr seien die Parteien rechtskräftig geschieden. Die Anspruchsgrundla...