Leitsatz
Der BGH hat in dieser Entscheidung die Anforderungen an ein Sachverständigengutachten im Rahmen eines Betreuungsverfahrens nach § 280 Abs. 3 FamFG konkretisiert.
Sachverhalt
Der betroffene Rechtsbeschwerdeführer wandte sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Erweiterung des Umfangs und die Verlängerung seiner Betreuung, die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts sowie gegen den Wechsel des für ihn bestellten Betreuers.
Er stand seit November 2008 unter rechtlicher Betreuung. In einem am 13.10.2009 eingeleiteten Überprüfungsverfahren hat das AG auf der Grundlage eines vom Betreuer eingeholten Attestes der behandelnden Ärztin die bisherige Betreuung verlängert und sie um die Aufgabenkreise Wohnungsangelegenheiten und Aufenthaltsbestimmung erweitert. Zudem hat das AG ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Auf den vom Beteiligten zu 1) aus persönlichen Gründen beantragten Betreuerwechsel hat das AG den Beteiligten zu 1) als Betreuer entlassen und den Beteiligten zu 2) als Berufsbetreuer bestellt.
Das LG als Beschwerdegericht hat den Betroffenen angehört und sodann den leitenden Medizinaldirektor a.D., Dr. H., Arzt für öffentliches Gesundheitswesen, Psychiatrie und Sozialmedizin, zum Gutachter bestellt. Auf der Grundlage dieses Gutachtens hat das LG die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
Das Rechtsmittel hatte teilweise Erfolg.
Entscheidung
Der BGH hat in seiner Entscheidung zunächst ausgeführt, dass zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Verlängerung einer Betreuung gemäß § 295 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 280 Abs. 1 S. 1 FamFG, die Erweiterung der Aufgabenkreise des Betreuers (§ 293 Abs. 1 i.V.m. § 280 Abs. 1 S. 1 FamFG) sowie die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (§ 280 Abs. 1 S. 1 FamFG) die Einholung eines Sachverständigengutachtens in einer förmlichen Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO erforderlich sei. Unterlasse das Erstgericht - wie im vorliegenden Fall - diese zwingend gebotene Verfahrenshandlung, so sei sie vom Beschwerdegericht nachzuholen.
Das Gutachten müsse dabei gemäß § 280 Abs. 3 FamFG auf Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Krankheitsentwicklung, der durchgeführten Untersuchungen und der diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnissen, den körperlichen und psychiatrischen Zustand des Betroffenen, den Umfang des Aufgabenkreises und die voraussichtliche Dauer der Maßnahme erstrecken. Diese Anforderungen an den Inhalt des Sachverständigengutachten sollten gewährleisten, dass das Gericht seiner Pflicht, das Gutachten auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, nachkommen könne (BayObLG FamRZ 2001, 1403 [1404]).
Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen sei das Gericht in der Lage, das Gutachten zu überprüfen und sich eine eigene Meinung von der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen zu bilden (BayObLG a.a.O.).
Diesen Anforderungen werde das vom LG eingeholte Gutachten nicht gerecht. Aufgrund seiner inhaltlichen Mängel hätte dieses Gutachten der landgerichtlichen Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden dürfen.
Für die erneute Verhandlung nach Zurückverweisung hat der BGH noch den Hinweis erteilt, dass gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 FamFG das Gericht die Sachkunde des Arztes, wenn sich diese nicht aus seiner Fachbezeichnung ergebe, zu prüfen und in den Entscheidungsgründen darzulegen habe.
Hinweis
Der BGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass das Gericht die Verpflichtung trifft, durch förmliche Beweisaufnahme das Gutachten eines Sachverständigen auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Das Gutachten muss daher Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchungen und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen. Anderenfalls kommt seine Verwertung nicht in Betracht.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 19.01.2011, XII ZB 256/10