Leitsatz
Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen können ihren Leiharbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen betriebsbedingt kündigen, wenn ihr Einsatz beim Entleiher endet und sie nicht bei anderen Entleihern oder dem Verleiher selbst eingesetzt werden können.
Sachverhalt
In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte das Verleihunternehmen dem Arbeitnehmer wegen Auftragsmangel gekündigt, nachdem ein Auftrag bei dem Entleiher auslief und nicht mehr verlängert wurde. Der Arbeitnehmer hielt die Kündigung für sozial ungerechtfertigt, weil er bei einem anderen Kunden hätte eingesetzt werden können. Darüber hinaus rügte er die Sozialauswahl. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass eine Weiterbeschäftigung mangels geeigneter Folgeaufträge nicht möglich gewesen wäre. Ein Auftragsmangel stellt immer dann einen dringenden betrieblichen Grund i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG dar, wenn der Arbeitsanfall so zurückgegangen ist, dass zukünftig für den Arbeitnehmer kein Beschäftigungsbedarf mehr besteht.
Jedoch bestehen für Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen besondere Darlegungspflichten. Hier genügt der bloße Hinweis des Arbeitgebers auf fehlende Anschlussaufträge nicht, um einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsverhältnisses zu begründen. Kurzfristige Auftragslücken gehören zum typischen Wirtschaftsrisiko eines Leiharbeitunternehmens und sind gerade nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Um auszuschließen, dass bereits kurzfristige Auftragsschwankungen zum Anlass für eine Kündigung genommen werden, muss das Verleihunternehmen für einen repräsentativen Zeitraum spezifizieren, wie sich die Aufträge und Einsatzmöglichkeiten einschließlich der benötigten Qualifikation entwickelt haben und durch einen Vergleich der Aufträge in den verschiedenen Referenzzeiträumen deren zukünftige Entwicklung prognostizieren. Zudem muss der Verleiharbeitgeber darlegen, dass ein anderer Einsatz des Arbeitnehmers bei einem anderen Kunden auch ggf. nach entsprechenden Anpassungsfortbildungen nicht in Betracht kommt.
Allerdings hat das BAG auch klargestellt, das dem Verleihunternehmen bei einem dauerhaften Auftragsrückgang das Beschäftigungsrisiko nicht pauschal für 3 Monate zuzuweisen ist. Eine solche spezifische Kündigungsbeschränkung für Verleihunternehmen lässt sich seit Streichung des § 9 Nr. 3 AÜG a. F. nicht mehr rechtfertigen. Durch diese Entscheidung wird zwar klargestellt, dass Verleihunternehmen nicht per se eine dreimonatige Nichteinsatzmöglichkeit abwarten müssen. Jedoch wird die Lockerung dadurch mehr als kompensiert, dass das BAG an die Darlegung der Prognose für die künftige Auftragsentwicklung bei Verleihunternehmen strengere Anforderungen stellt, als bei sonstigen Arbeitgebern.
Im entschiedenen Fall war die Arbeitgeberin außerstande, für einen repräsentativen Zeitraum darzulegen, wie sich Aufträge, Personaleinsatz und Einsatzbereiche in der Vergangenheit entwickelt hatten und zukünftig voraussichtlich entwickeln werden. Zudem hatte es die Unternehmerin unterlassen, ihren Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass dessen Qualifikation zukünftig für einen Einsatz in neuen Aufträgen nicht ausreichend und er deshalb auf ihre Kosten fortzuentwickeln sei. Die Klage des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung war hier daher erfolgreich.
Link zur Entscheidung
BAG, Urteil v. 18.5.2006, 2 AZR 412/05. – Vgl. zur Kündigung auch Gruppe 19 S. 183.