Leitsatz
Um die Lieferung von Fernwärme handelt es sich nur dann, wenn der Energieversorger/Energiedienstleister hohe Investitionen vorzunehmen hat, um seine Vertragspflicht zur Wärmelieferung erfüllen zu können. Hieran fehlt es regelmäßig, wenn der Energieversorger/Energiedienstleister sich im Wesentlichen lediglich dazu verpflichtet, eine bereits vorhandene, im Eigentum des Kunden stehende funktionstüchtige Heizungsanlage für ein symbolisches Entgelt anzupachten, zu warten und zu betreiben (im Anschluss an BGH, Urteile v. 25.10.1989, VIII ZR 229/88, BGHZ 109 S. 118; v. 15.2.2006, VIII ZR 138/05, NJW 2006 S. 1667).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
AVB FernwärmeV § 32; BGB § 307
Kommentar
Der Gebäudeeigentümer schloss im Jahr 2002 mit einem Energiedienstleister einen Vertrag, wonach sich der Dienstleister verpflichtete, für die Beheizung des Anwesens zu sorgen. Nach diesem Vertrag hatte der Eigentümer den Heizraum und die Heizanlage zur Verfügung zu stellen und instand zu halten. Der Dienstleister verpflichtete sich zur Beschaffung des Brennstoffs und zur Wartung und Pflege der Anlage. Als Pachtzins war ein symbolisches Entgelt von 1 EUR pro Jahr vereinbart. Der Vertrag begann am 1.10.2002, er war auf die Dauer von 10 Jahren befristet. In der Folgezeit wurde das Anwesen in Wohnungseigentum umgewandelt. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat den Wärmelieferungsvertrag im Mai 2007 gekündigt. Der BGH hatte zu entscheiden, ob eine ordentliche Kündigung wegen der vereinbarten Befristung möglich ist.
Für Verträge über die "Versorgung mit Fernwärme" gilt die AVB FernwärmeV vom 20.7.1980, zuletzt geändert durch Gesetz vom 4.11.2010 (BGBl I S. 1483). Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung darf die Laufzeit von Versorgungsverträgen höchstens 10 Jahre betragen. Mit dieser Regelung steht der fragliche Versorgungsvertrag im Einklang.
Zweifelhaft ist allerdings, ob dieser Vertrag die "Versorgung mit Fernwärme" zum Gegenstand hat. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 6.12.1989, VIII ZR 8/89, GE 1990 S. 1305; Urteil v. 15.2.2006, VIII ZR 138/05, NJW 2006 S. 1667) handelt es sich um Fernwärme, "wenn aus einer nicht im Eigentum des Gebäudeeigentümers stehenden Heizungsanlage von einem Dritten nach unternehmenswirtschaftlichen Gesichtspunkten eigenständig Wärme produziert und an andere geliefert wird". Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil die Heizungsanlage im Eigentum des Gebäudeeigentümers steht. Zwar wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass es für die Anwendung der AVB FernwärmeV nicht auf die Eigentumsverhältnisse an der Heizanlage ankommt (Hack, Energie-Contracting 2003, S. 15). Der BGH hält demgegenüber an seiner Rechtsprechung fest. Die AVB FernwärmeV beruhe auf der Erwägung, dass die Einrichtung einer Fernwärmeversorgung regelmäßig mit hohen Kosten verbunden ist. Nur deshalb sei es vertretbar, den Gebäudeeigentümer auf die Dauer von 10 Jahren an den Vertrag zu binden. Hier habe der Energiedienstleister keine wesentlichen Investitionen vorgenommen; aus diesem Grund sei die AVB FernwärmeV nicht anzuwenden.
Auf die Definition des Begriffs der "eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme ..." in § 1 Abs. 1 Nr. 2 HeizKV komme es nicht an. Darunter fällt zwar nicht nur die "Fernwärme" im herkömmlichen Sinne, sondern auch die Wärmelieferung im Wege des sog. Betriebsführungscontractings. Jedoch gelte die HeizKV nur für die Kosten der Wärmelieferung; sie regele mithin andere Sachverhalte als die AVB FernwärmeV.
Bei dieser Rechtslage kommt es maßgeblich darauf an, ob eine 10-jährige Vertragsbindung bei Verträgen der fraglichen Art gegen § 307 BGB verstößt. Dies wird vom BGH bejaht: Da der Energiedienstleister keine erheblichen Investitionen vorgenommen habe, fehle es an einer sachlichen Rechtfertigung für eine derart lange Vertragsbindung.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 21.12.2011, VIII ZR 262/09, WuM 2012 S. 115