Leitsatz
Eine nach dem früheren Preisbindungsrecht für Berliner Altbauwohnungen unzulässige Vereinbarung über die verbrauchsabhängige Umlage von Betriebskosten kann in eine zulässige Betriebskostenpauschale umgedeutet werden, wenn der Vermieter jahrelang keine Abrechnung über die Betriebskosten erteilt und der Mieter dies hinnimmt.
(Leitsatz der Redaktion)
Unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens sind Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung des Geschädigten – unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei um eine besondere Angelegenheit im Sinne des § 18 RVG handelt – nicht zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Einholung der Deckungszusage nicht erforderlich war (Fortführung des Senatsurteils v. 6.10.2010, VIII ZR 271/09, WuM 2010 S. 740).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 140, 280, 286, 556; AMVOB §§ 17 ff.; RVG §§ 18, 19
Kommentar
1. Zu Leitsatz a)
Zwischen den Parteien bestand in der Zeit vom 1.8.1987 bis zum 31.10.2006 ein Mietverhältnis über eine in Berlin gelegene Altbauwohnung. In dem am 1.7.1987 abgeschlossenen Mietvertrag war unter § 4 vereinbart, dass die Mieterin Vorauszahlungen für Heiz- und sonstige Betriebskosten zu zahlen hatte. Der Vermieter war verpflichtet, über diese Vorauszahlungen jährlich abzurechnen. In den folgenden Jahren rechnete der Vermieter lediglich über die Heizkosten ab, hinsichtlich der sonstigen Betriebskosten erteilte er keine Abrechnungen. Die Mieterin hat dies hingenommen. Außerdem verlangte der Vermieter mehrmals eine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten; die Mieterin hat die Erhöhung regelmäßig anstandslos bezahlt.
Nach Ende des Mietverhältnisses nimmt die Mieterin den Vermieter u.a. auf Rückzahlung der für die sonstigen Betriebskosten geleisteten Vorauszahlungen in Anspruch. Sie stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des BGH, wonach der Mieter die vollständige Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlungen verlangen kann, wenn der Vermieter nicht fristgerecht über die Betriebskosten abgerechnet hat (BGH, Urteil v. 9.3.2005, VIII ZR 57/04, NJW 2005 S. 1499).
Der BGH führt aus, dass diese Rechtsprechung auf den zur Entscheidung stehenden Fall nicht anzuwenden ist: In Berlin galt für preisgebundene Altbauwohnungen (Bezugsfertigkeit bis 31.12.1949) in der Zeit vom 1.4.1961 bis 1.1.1988 die Altbaumietenverordnung (AMVOB). Nach dieser Verordnung konnten nur die Kosten des Wasserverbrauchs (§ 17), Grundsteuermehrbelastungen (§ 18), Mehrbelastungen für öffentliche Gebühren (§ 19) sowie die Heiz- und Warmwasserkosten (§ 20) verbrauchsabhängig auf den Mieter umgelegt werden. Alle anderen Betriebskosten wurden mit der Grundmiete abgegolten. Die Vereinbarung in § 4 des Mietvertrags wurde während der Geltung der AMVOB getroffen; sie war preisrechtlich unzulässig und damit unwirksam.
Die AMVO wurde durch das Gesetz zur dauerhaften sozialen Verbesserung der Wohnungssituation im Land Berlin vom 14.7.1987 mit Wirkung vom 1.1.1988 aufgehoben. An die Stelle der früheren Preisvorschriften traten die Regelungen des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHG). Nach dem MHG war die verbrauchsabhängige Umlage aller Betriebskosten möglich (§ 4 Abs. 1 MHG). Grundsätzlich bleibt jedoch ein nichtiges oder teilnichtiges Rechtsgeschäft auch nach dem Wegfall des Verbots nichtig. Etwas anderes gilt, wenn die Parteien eine andere Rechtsfolge vereinbaren (BGH, Urteil v. 27.6.2007, VIII ZR 150/06, WuM 2007 S. 440). Die Mieterin hat hierzu die Ansicht vertreten, die Vereinbarung in § 4 des Mietvertrags sei dahingehend auszulegen, dass die Regelung erst nach dem (absehbaren) Auslaufen der Preisbindung gelten soll.
Der BGH teilt diese Ansicht nicht: Er führt aus, dass die unzulässige Umlagevereinbarung in eine nach der AMVOB zulässige Betriebskostenpauschale umzudeuten sei. Die Umdeutung einer unzulässigen Vereinbarung über die verbrauchsabhängige Umlage der Betriebskosten setzt zum einen voraus, dass die Regelung den Erfordernissen einer zulässigen Betriebskostenpauschale entspricht. Zum anderen ist erforderlich, dass die Umdeutung von den Parteien gewollt ist. Hiervon ist nach Auffassung des BGH auszugehen, wenn sich die Parteien tatsächlich so verhalten, als hätten sie eine Betriebskostenpauschale vereinbart. Diese Voraussetzung war im Entscheidungsfall gegeben. Der Vermieter hat niemals abgerechnet und die Mieterin hat zu keinem Zeitpunkt eine Abrechnung verlangt.
2. Zu Leitsatz b)
In einem zweiten Teil der Entscheidung geht es um die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten. Der Rechtsanwalt der Mieterin hat diese Kosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung geltend gemacht. Eine solche Deckungszusage hat die Mieterin verlangt zum einen für die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückerstattung der Betriebskostenvorauszahlungen und zum anderen für einen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution.
Hier geht es zunächst um die Frage, ob diese Tätigkeit zum Kreis der "besonderen Angelegenheiten" i.S.v. § 18...