Leitsatz
Der sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ergebende Bereicherungsanspruch des Wohnungsmieters, der die wegen Versäumung der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossene Betriebskostennachforderung des Vermieters bezahlt hat, ist nicht in entsprechender Anwendung des § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen (amtlicher Leitsatz des BGH).
Normenkette
BGB § 556
Kommentar
Der Vermieter hatte über die Betriebskosten des Kalenderjahres 2002 abgerechnet. Die Abrechnung ging dem Mieter im Januar 2004 zu; aus ihr ergab sich ein Abrechnungssaldo zugunsten des Vermieters in Höhe von ca. 185 EUR. Der Mieter hat diesen Betrag an den Vermieter bezahlt. Sodann hat er den Vermieter auf Rückzahlung in Anspruch genommen. Zur Begründung hat der Mieter geltend gemacht, dass ihm die Abrechnung nach Ablauf der Abrechnungsfrist zugegangen sei. Eine Nachforderung sei in einem solchen Fall ausgeschlossen. Er habe gleichwohl gezahlt, weil er diese Rechtsfolge nicht gekannt habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Mieters hat der BGH den Vermieter zur Rückzahlung verurteilt.
Nach § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB ist die Abrechnung dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Vorliegend endete der Abrechnungszeitraum am 31.12.2002. Die Abrechnung hätte dem Mieter also spätestens am 31.12.2003 zugehen müssen. Tatsächlich ist die Abrechnung dem Mieter aber erst im Januar 2004 – also verspätet – zugegangen.
Bei der Abrechnungsfrist handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Dies hat zur Folge, dass die Forderung auf Zahlung restlicher Betriebskosten mit dem Ablauf der Frist erlischt. Zahlt der Mieter gleichwohl, so leistet er ohne Rechtsgrund. Eine solche Leistung kann der Mieter nach § 812 BGB zurückfordern.
Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, dass die Rückforderung nach § 214 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sei. Diese Vorschrift bestimmt, dass der Rückforderungsanspruch ausgeschlossen ist, wenn eine Forderung trotz Eintritts der Verjährung bezahlt wird. Der BGH führt hierzu aus, dass zwischen dem Eintritt der Verjährung und dem Ablauf einer Ausschlussfrist ein wesentlicher Unterschied besteht: Der Ablauf der Ausschlussfrist hat den Untergang der Forderung zur Folge; der Eintritt der Verjährung lässt den Bestand der Forderung unberührt. Deshalb kann § 214 Abs. 2 BGB weder unmittelbar noch analog auf die Ausschlussfrist angewendet werden.
Vor der Mietrechtsreform wurde in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten, dass in der Bezahlung einer Betriebskostenabrechnung ein sog. deklaratorisches Schuldanerkenntnis liege mit der weiteren Folge, dass der Mieter keine nachträglichen Einwendungen geltend machen kann. Nunmehr ist in § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB geregelt, dass dem Mieter eine Einwendungsfrist von einem Jahr nach Zugang der Abrechnung zusteht; diese Regelung kann vertraglich nicht abweichend geregelt werden. Aus diesem Grund ist zweifelhaft, ob die Theorie des Einwendungsausschlusses kraft Schuldanerkenntnis weiterhin Bestand hat. Der BGH lässt diese Frage offen: Ein Schuldanerkenntnis schließt nur solche Einwendungen aus, die der Mieter kennt. Vorliegend war unstreitig, dass der Mieter gezahlt hat, weil er meinte dazu verpflichtet zu sein.
Hinweis
Zahlt der Mieter, obwohl er die Ausschlussfrist und deren Rechtsfolge kennt, so ist der Rückforderungsanspruch nach § 814 BGB ausgeschlossen. Erforderlich ist positive Kenntnis der Rechtslage. Der Mieter muss beweisen, dass ihm die Abrechnung nach Ablauf der Ausschlussfrist zugegangen ist. Der Vermieter muss beweisen, dass der Mieter die Rechtslage gekannt hat.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 18.01.2006, VIII ZR 94/05