Leitsatz
Dem Mieter kann bei Beendigung des Mietverhältnisses im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen nur insoweit zugebilligt werden, als er während der Dauer des Mietverhältnisses nicht die Möglichkeit hatte, den Abrechnungsanspruch durch Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an den laufenden Vorauszahlungen durchzusetzen (im Anschluss an Senatsurteil v. 29.3.2006, VIII ZR 191/05, NJW 2006 S. 2552, Rn. 12 ff.).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 556
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über eine Wohnung, der im Jahr 2009 endete. Nach dem Mietvertrag hatte der Mieter die Betriebskosten zu tragen; der Vermieter war verpflichtet, eine jährliche Abrechnung zu erteilen. Diese Verpflichtung hat der Vermieter nicht erfüllt. Der Mieter hat den Vermieter deshalb nach Beendigung des Mietverhältnisses auf Rückerstattung sämtlicher Vorauszahlungen in Anspruch genommen. Das Amtsgericht gab der Klage teilweise statt. Hinsichtlich der Betriebskostenvorauszahlungen für die Jahre 2002 bis 2004 wurde die Klage jedoch abgewiesen. Der BGH hatte zu entscheiden, ob dem Mieter in Fällen dieser Art ein Anspruch auf Rückzahlung der Vorauszahlungen zusteht.
Erteilt der Vermieter entgegen den vertraglichen Vereinbarungen keine Betriebskostenabrechnung, so ist nach der Rechtsprechung des BGH zu unterscheiden:
1 Mietverhältnis ist beendet
Ist das Mietverhältnis bereits beendet, hat der Mieter grundsätzlich 2 Möglichkeiten:
- Er kann auf Erteilung der Abrechnung klagen;
- stattdessen kann er den Vermieter auf Rückzahlung sämtlicher Betriebskostenvorauszahlungen in Anspruch nehmen. Der BGH begründet dies mit einer ergänzenden Auslegung der Umlagevereinbarung.
Klagt der Mieter auf Rückzahlung der Betriebskostenvorauszahlungen, so ist der Vermieter nicht gehindert, die Abrechnung im Rückzahlungsprozess nachzuholen. Liegt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine den Grundsätzen der Rechtsprechung genügende Abrechnung vor, wird der Vermieter zur Rückerstattung der Vorauszahlungen verurteilt.
Der Vermieter ist aber auch in diesem Fall nicht gehindert, über die Betriebskosten abzurechnen. Erfolgt die Abrechnung nach Ablauf der 12-monatigen Abrechnungsfrist, ist der Vermieter mit einem Nachforderungsanspruch ausgeschlossen. Hierunter ist derjenige Betrag zu verstehen, der die Summe der Vorauszahlungen übersteigt.
Daraus folgt: Sind dem Mieter im Rückforderungsprozess die Vorauszahlungen zugesprochen worden und ergibt sich aus einer späteren Abrechnung des Vermieters ein Nachzahlungsanspruch, so wird die Höhe der vom Mieter geschuldeten Zahlung durch die Summe der Vorauszahlungen beschränkt (BGH, Urteil v. 9.3.2005, VIII ZR 57/04, NJW 2005 S 1499).
2 Mietverhältnis besteht
Bei einem noch bestehenden Mietverhältnis stehen dem Mieter ebenfalls 2 Möglichkeiten offen:
- Er kann zum einen auf Erteilung der Abrechnung klagen;
- zum anderen steht ihm ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB hinsichtlich der laufenden Betriebskostenvorauszahlungen zu.
Ein Anspruch auf Rückzahlung der Vorauszahlungen besteht in diesem Fall nicht. Die Umlagevereinbarung ist auch nicht mangels einer Regelungslücke ergänzend auszulegen (BGH, Urteil v. 29.3.2006, VIII ZR 191/05, NJW 2006 S. 2552).
3 Verjährung und Zurückbehaltung
In dem zur Entscheidung stehenden Fall war das Mietverhältnis beendet. Gleichwohl stehen dem Mieter die in Abschnitt 1 dargestellten Rechte nicht zu:
- Eine Klage auf Erteilung einer Abrechnung dürfte an der Verjährung des Abrechnungsanspruchs scheitern.
- Ein Anspruch auf Rückzahlung der Vorauszahlungen ist nach Ansicht des BGH ausgeschlossen, wenn der Mieter während der Mietzeit von seinem Recht auf Zurückbehaltung der Vorauszahlungen keinen Gebrauch gemacht hat. In diesem Fall sei der Mieter nicht schutzbedürftig. Aus diesem Grund kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht.
Rückzahlung der BK-Vorauszahlungen und Anspruch auf BK-Abrechnung
Hat der Vermieter während der Vertragszeit keine Abrechnung erteilt, kann der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die Vorauszahlungen für das dem Vertragsende vorangegangene und bereits zur Abrechnung fällige Wirtschaftsjahr zurückverlangen, bei einem Vertragsende im Jahr 2012 also die Vorauszahlungen für das Wirtschaftsjahr 2010.
Hinsichtlich der weiter zurückliegenden Zeiträume verbleibt ihm die Möglichkeit, eine Klage auf Erteilung der Abrechnung zu erheben.
Nach Eintritt der Verjährung des Abrechnungsanspruchs kann der Vermieter allerdings die Einrede der Verjährung erheben. Der Abrechnungsanspruch wird nach Ablauf des 12. Monats nach Beendigung des Abrechnungszeitraums fällig. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt gem. § 195 BGB 3 Jahre (Langenberg, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 556 Rdn. 516).
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 26.9.2012, VIII ZR 315/11, NJW 2012 S. 3508