Leitsatz (amtlich)
Dem Mieter kann bei Beendigung des Mietverhältnisses im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen nur insoweit zugebilligt werden, als er während der Dauer des Mietverhältnisses nicht die Möglichkeit hatte, den Abrechnungsanspruch durch Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an den laufenden Vorauszahlungen durchzusetzen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.3.2006 - VIII ZR 191/05, NJW 2006, 2552 Rz. 12 ff.).
Normenkette
BGB § 556 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer V des LG Detmold vom 26.10.2011 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des AG Lemgo vom 4.11.2010 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Der Streitwert für die Revisionsinstanz wird auf die Gebührenstufe bis 1.200 EUR festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger nehmen ihren ehemaligen Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses im Laufe des Jahres 2009 auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen in Anspruch.
Rz. 2
Das AG hat der auf Zahlung von 3.320 EUR nebst Zinsen gerichteten Klage in Höhe eines Teilbetrages von 200,47 EUR nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Kläger haben das Urteil des AG mit der Berufung angefochten, soweit ihnen ein Anspruch auf Rückzahlung von 1.880 EUR nebst Zinsen (Rückforderung der für die Jahre 2002 bis 2004 geleisteten Vorauszahlungen) aberkannt wurde. In der Berufungsinstanz hat der Beklagte die - jeweils mit einem Saldo zu Lasten der Kläger endenden - Nebenkostenabrechnungen für diese Zeiträume erteilt. Der daraufhin von den Klägern erklärten Erledigung des Rechtsstreits hat sich der Beklagte nicht angeschlossen. Das LG hat die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Rz. 5
Hinsichtlich der in der Berufungsinstanz noch anhängigen Forderung der Kläger auf Rückzahlung der Betriebskostenvorauszahlungen für die Jahre 2002 bis 2004 sei durch die Erteilung der Nebenkostenabrechnung während des Berufungsverfahrens die Erledigung der Hauptsache eingetreten, denn bis zu diesem Zeitpunkt sei die Klage zulässig und begründet gewesen.
Rz. 6
Nach der Rechtsprechung des BGH sei dem Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein (vorläufiger) Anspruch auf Rückzahlung der Nebenkostenvorauszahlungen zuzubilligen, soweit der Vermieter keine Abrechnungen erteilt habe. Dies sei für die in der Berufungsinstanz noch im Streit befindlichen Vorauszahlungen bis zur nachträglichen Erteilung der Abrechnungen der Fall gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Anspruch der Kläger auf Erteilung der Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2002 bis 2004 bereits verjährt gewesen sei. Denn der von den Klägern verfolgte Anspruch auf Rückzahlung der Nebenkostenvorauszahlungen sei erst im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses im Jahre 2009 entstanden, so dass die Verjährung erst mit Ablauf des Jahres 2009 begonnen habe und noch nicht abgelaufen sei. Dies ergebe sich daraus, dass der Mieter nach der Rechtsprechung des BGH während des laufenden Mietverhältnisses nicht berechtigt sei, geleistete Vorauszahlungen mit Rücksicht auf die ausstehende Abrechnung zurückzuverlangen, sondern er seinen Abrechnungsanspruch lediglich im Wege des Zurückbehaltungsrechts an den laufenden Betriebskostenvorauszahlungen geltend machen könne.
II.
Rz. 7
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klage auf Rückzahlung der Nebenkostenvorauszahlungen für die Jahre 2002 bis 2004 war von vornherein unbegründet. Denn dem Mieter kann bei Beendigung des Mietverhältnisses im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen nur insoweit zugebilligt werden, als er während der Dauer des Mietverhältnisses nicht die Möglichkeit hatte, den Abrechnungsanspruch durch Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an den laufenden Vorauszahlungen durchzusetzen. Diese Möglichkeit stand den Klägern bezüglich der in der Revisionsinstanz noch im Streit befindlichen Abrechnungen für die Jahre 2002 bis 2004 zur Verfügung, weil das Mietverhältnis erst im Jahr 2009 endete; dass die Kläger hiervon keinen Gebrauch gemacht, sondern den Abrechnungsanspruch haben verjähren lassen, rechtfertigt keine ergänzende Vertragsauslegung zu ihren Gunsten.
Rz. 8
1. Nach der Rechtsprechung des Senats, von der auch das Berufungsgericht im Ansatzpunkt zutreffend ausgeht, kann der Mieter bei beendetem Mietverhältnis die Vorauszahlungen, über die der Vermieter nicht fristgemäß abgerechnet hat, ohne den zeitraubenden Umweg über eine (Stufen-)Klage auf Erteilung der Abrechnung sogleich zurückverlangen. Diese ergänzende Vertragsauslegung beruht auf der Überlegung, dass der Vermieter sonst in der Lage wäre, die Fälligkeit eines Erstattungsanspruchs des Mieters nach Belieben hinauszuzögern, so dass die Abrechnungsfrist (§ 556 Abs. 3 Satz 2 BGB) ohne praktische Bedeutung bliebe (BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 57/04, NJW 2005, 1499 unter II 3c).
Rz. 9
Hingegen besteht bei Fortdauer des Mietverhältnisses kein Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung, denn der Mieter ist durch ein Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Vorauszahlungen hinreichend geschützt, wenn der Vermieter die abgelaufene Periode nicht fristgerecht abrechnet. Ein Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der für die nicht fristgemäß abgerechneten Betriebskosten geleisteten Vorauszahlungen kommt in diesem Fall mangels Bestehens einer ausfüllungsbedürftigen Vertragslücke nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 29.3.2006 - VIII ZR 191/05, NJW 2006, 2552 Rz. 12 ff.).
Rz. 10
Das Gleiche gilt bei einem beendeten Mietverhältnis für die Abrechnungsperioden, für die die Abrechnungsfrist noch während des Mietverhältnisses abgelaufen war. Insoweit ist der Mieter nicht schutzbedürftig, denn er hatte während des Mietverhältnisses die Möglichkeit, die laufenden Vorauszahlungen einzubehalten und so auf den Vermieter Druck zur Erteilung der geschuldeten Abrechnung auszuüben. Erst recht kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht, wenn - wie hier - der Abrechnungsanspruch des Mieters im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses bereits verjährt ist.
III.
Rz. 11
Nach den vorstehenden Ausführungen kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Satz 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO); dies führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Fundstellen
Haufe-Index 3447912 |
NJW 2012, 3508 |
NJW 2012, 6 |
NWB 2012, 3681 |
EBE/BGH 2012, 355 |
NZM 2012, 832 |
ZAP 2012, 1215 |
ZMR 2013, 100 |
JZ 2012, 720 |
MDR 2012, 1334 |
NJ 2012, 5 |
NJ 2013, 488 |
NJ 2013, 68 |
WuM 2012, 620 |
GuT 2012, 16 |
Info M 2012, 415 |
MietRB 2012, 345 |
NJW-Spezial 2012, 738 |
NWB direkt 2012, 1187 |
RdW 2013, 125 |
FMP 2012, 199 |
IWR 2013, 68 |
MK 2012, 204 |