Leitsatz
Art. 3 I der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen verlangt nicht, dass beim Übergang eines Unternehmens ein Vertrag über die Miete eines Geschäftslokals, den der Veräußerer des Unternehmens mit einem Dritten geschlossen hat, fortgeführt wird, obwohl die Kündigung dieses Vertrags zur Beendigung der auf den Erwerber übergegangenen Arbeitsverträge führen könnte.
(amtlicher Leitsatz des Gerichts)
Normenkette
Art. 3 I der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001; BGB § 540 Abs. 1
Kommentar
Der Europäische Gerichtshof hatte die Frage zu entscheiden, ob sich aus den Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts ergibt, dass im Fall eines Betriebsübergangs auch die Rechte und Pflichten aus einem Mietvertrag über Geschäftsräume ohne Mitwirkung des Vermieters auf den Erwerber des Unternehmens übergehen. Der zu beurteilende Fall hat sich in Spanien zugetragen. Die Rechtsfrage ist aber auch für das deutsche Recht von Bedeutung.
Vereinfachter Sachverhalt: Zwischen dem Eigentümer einer Immobilie und einem Handelsunternehmen besteht ein Mietvertrag über Geschäftsräume. In der Folgezeit veräußert der Inhaber des Unternehmens den Betrieb an einen Dritten. In diesem Zusammenhang überlässt der Veräußerer dem Erwerber auch den Besitz an den Mieträumen. Damit ist der Eigentümer und Vermieter nicht einverstanden.
Nach deutschem (und spanischem) Mietrecht ist der Mieter ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen (§ 540 Abs. 1 S. 1 BGB). Für den Fall des Betriebsübergangs ist allerdings in Art. 3 I der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001 bestimmt, dass "die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis ... aufgrund des Übergangs auf den Erwerber" übergehen. Diese Regelung ist durch § 613a BGB in deutsches Recht umgesetzt worden. Zweck der genannten Regelungen ist der Schutz der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen. Dieser Schutzzweck wird tangiert, wenn das Unternehmen in gemieteten Räumen betrieben wurde und der Vermieter dem Übergang des Mietverhältnisses auf den Erwerber des Unternehmens nicht zustimmt. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass der Übernehmer den Betrieb nicht fortführen kann und aus diesem Grund die Arbeitnehmer entlassen muss.
Dies führt zu der Frage, ob sich in den Fällen des Betriebsübergangs aus § 613a BGB/Art. 3 I der Richtlinie 2001/23/EG ergibt, dass ein Mietvertrag ohne Mitwirkung des Vermieters auf den Erwerber übergeht oder dass dem Erwerber ein Anspruch auf Übernahme des Mietvertrags zusteht. Dies wird vom EuGH unter Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut der Richtlinie verneint. Art. 3 der Richtlinie regelt nur den Übergang eines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses, nicht den Übergang eines Mietvertrags.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 16.10.2008, C-313/07