Normenkette

§ 633 BGB, § 639 BGB, § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B

 

Kommentar

Auch bei der Klage auf Vorschuss für Nachbesserungskosten richtet sich - wie beim Mängelbeseitigungsverlangen gem. § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B und beim Beweissicherungsantrag gem. §§ 639, 477 Abs. 2 BGB - die Tragweite der Unterbrechung nicht nach den jeweils näher bezeichneten Mängelerscheinungen, sondern nach den der Werkleistung anhaftenden Mängeln selbst, soweit sie Ursache der angeführten Mangelerscheinungen sind.

1. Sachverhalt

Der Auftraggeber kann den Ablauf der Gewährleistungsfrist durch schriftliche Mängelrüge, durch Beweissicherungsantrag oder durch Vorschussklage gegenüber dem Auftragnehmer unterbrechen. Nicht selten stellt sich erst nach Ablauf der ursprünglichen Gewährleistungsfrist heraus, dass die Mängel sehr viel weitergehend sind, als der Auftragnehmer dies bezeichnet hatte. Hatte er bereits eine Gewährleistungsklage erhoben, taucht die Frage auf, ob die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüche verjährt sind. Im entschiedenen Fall war das von einem Generalunternehmer geplante und ausgeführte Dach einer großen Lagerhalle anlässlich eines Sturms zu einem erheblichen Teil abgedeckt worden, weil die Firstpfetten fehlerhaft und planwidrig verankert waren. Wegen der dadurch erforderlichen Nachbesserung hat die klagende Auftraggeberin die Verjährungsfrist rechtzeitig durch Erhebung einer Vorschussklage unterbrochen. Später - nach Ablauf der ursprünglichen Gewährleistungsfrist - stellte sich heraus, dass auch die übrigen ("normalen") Pfetten des Dachs aufgrund derselben Planungs- und Ausführungsfehler mangelhaft waren. Der Auftraggeber verlangte daraufhin einen weiteren Vorschussbetrag.

2. Entscheidung

Der BGH hat die verjährungsunterbrechende Wirkung der ursprünglichen Vorschussklage auf den im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten weiteren Vorschussanspruch ausgedehnt. Der Auftraggeber brauche lediglich die Mangelerscheinungen, nicht aber deren Ursachen und damit den Baumangel selbst zu bezeichnen. Es sei Sache des anschließenden vertraglichen oder gerichtlichen Verfahrens zu klären, was die Ursachen der Mangelerscheinungen seien.

 

Link zur Entscheidung

( BGH, Urteil vom 10.11.1988, VII ZR 140/87, BauR 89, 81)

zu Gruppe 6: Baurechtliche und bautechnische Fragen; Baumängel

Anmerkung

Bereits mit Urteil vom 06.10.1988 (ZfBR 89, 27) hat der BGH für das Beweissicherungsverfahren entschieden, dass die bloße Bezeichnung der erkennbaren Mangelerscheinungen ausreiche, um auch die Verjährungsfrist für die Mangelursachen zu unterbrechen. In diesem Fall ging es um Feuchtigkeitsschäden bei Balkonen oberhalb des fünften Geschosses eines mehrstöckigen Wohnhauses. Erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist stellte sich heraus, dass diese Schäden durch konstruktive Mängel des Aufbaus der Balkondecken und der Wasserabführung verursacht sind und sämtliche Balkone betrafen. Obwohl sich der Beweissicherungsantrag nur auf die Balkone oberhalb des fünften Geschosses bezog, sah der BGH die Verjährung hinsichtlich sämtlicher Balkone als wirksam unterbrochen an.

Das Problem, das sich in diesen Fällen regelmäßig stellt, ist die Frage nach der Identität des Mangels. Handelt es sich bei einem Mangel um einen Planungsfehler, liegt ein identischer Baumangel vor. Zweifelhaft ist dies aber in den Fällen der Ausführungsfehler, die sich auf verschiedene Bauteile oder Bauwerke beziehen, z. B. wenn in allen Wohnungen einer Wohnanlage die Fenster fehlerhaft eingebaut sind. Hier liegt meines Erachtens kein identischer Baumangel, sondern ein Serienmangel vor. Die Unterbrechung der Verjährungsfrist bei einem Mangel führt nicht gleichzeitig die Unterbrechung hinsichtlich der gesamten Serie von Mängeln herbei. Man darf gespannt sein, wie der BGH diese Frage lösen wird.

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