Leitsatz (amtlich)
Auch bei der Klage auf Vorschuß für Nachbesserungskosten richtet sich – wie beim Mängelbeseitigungsverlangen gem. § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B und beim Beweissicherungsantrag gem. §§ 639, 477 Abs. 2 BGB – die Tragweite der Unterbrechung der Verjährung nicht nach den jeweils näher bezeichneten Mangelerscheinungen, sondern nach den der Werkleistung anhaftendenMängeln selbst, soweit sie Ursache der angeführten Mangelerscheinungen sind (im Anschluß an Senatsurteile BGHZ 66, 138; 66, 142 und vom 6. Oktober 1988 – VII ZR 227/87 – zur Veröffentlichung bestimmt).
Normenkette
BGB §§ 209, 633
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 02.04.1987; Aktenzeichen 10 U 146/85) |
LG Hamburg (Urteil vom 30.10.1985; Aktenzeichen 26 O 124/84) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamburg vom 2. April 1987 aufgehoben, soweit die Klägerin beschwert ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Bauvertrag vom 5. Mai 1978 verpflichteten sich die zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Beklagten, für die Klägerin eine große Lagerhalle zu planen und zu errichten. Die Holzarbeiten wurden von der Fa. B. GmbH als Subunternehmerin der Beklagten ausgeführt. Die Klägerin nahm die Halle am 25. Juni 1979 in Betrieb. Die Parteien haben vereinbart, daß dieser Tag als Tag der Abnahme des Bauwerks gelten solle.
Im Februar 1983 wurde anläßlich eines Sturms ein erheblicher Teil des Dachs abgedeckt und ein größerer Teil der Firstpfetten aus der Verankerung gerissen. Die Klägerin hat in nachfolgenden Verhandlungen den Standpunkt vertreten, dieser Schaden sei auf fehlerhafte und planwidrige Verankerung der Firstpfetten zurückzuführen, während die Beklagten ihn auf den Sturm zurückführten. Wegen eines Betrages von 73.144,50 DM zuzüglich Zinsen, und zwar in Höhe von 30.000 DM als Vorschuß für Nachbesserung von noch nicht beseitigten Mängeln an den Firstpfetten, hat die Klägerin am 22. Juni 1984 Klage eingereicht, die am 26. Juni 1984 den Beklagten zugestellt worden ist.
Die Klägerin behauptet unter Beweisantritt, in der Folgezeit habe sich im Zusammenhang mit einem Brand herausgestellt, daß nicht nur die Firstpfetten sondernalle Pfetten des Dachs in gleicher Weise unter Verstoß gegen die Regeln der Technik fehlerhaft verankert worden seien.
Zur Nachbesserung auch der übrigen Pfetten hat die Klägerin deshalb mit einem am 25. September 1985 eingegangenen, den Beklagten am 30. September 1985 zugestellten Schriftsatz ihren Vorschußanspruch um 139.300 DM zuzüglich Zinsen erweitert.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage im ursprünglich erhobenen Umfang für berechtigt gehalten, sie hingegen hinsichtlich der Klageerweiterung abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die – angenommene – Revision der Klägerin, die die Beklagten zurückzuweisen bitten.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hält die Klage hinsichtlich der erst mit der Klageerweiterung geltend gemachten 139.300 DM zuzüglich Zinsen für verjährt.
Eine den Beklagten zuzurechnende arglistige Täuschung bei der Abnahme sei nicht anzunehmen. Eine etwaige Täuschung durch die Subunternehmerin über vorsätzlich planwidrige Erstellung der Pfetten sei den Beklagten nicht zuzurechnen und eine Täuschung durch die von den Beklagten mit der Übergabe betrauten Personen (Bauleiter und Prüfstatiker) sei nicht schlüssig vorgetragen.
Rechtzeitig vor Eintritt der 5-jährigen Verjährung sei lediglich ein Vorschußanspruch wegen der Firstpfetten verlangt worden. Hingegen sei der erst mit der Klageerweiterung vom 25. September 1985 geltend gemachte Vorschuß wegen der übrigen Pfetten verjährt.
Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin mit Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts betrifft die Bezeichnung aufgetretener Mangelerscheinungen auch bei der Vorschußklage nicht nur die angeführten Erscheinungen sondern in vollem Umfangden Mangel selbst. Für diesen ergeben sich aus dem zunächst geltend gemachten Vorschußbetrag im Ergebnis keine Beschränkungen hinsichtlich der Unterbrechung der Verjährung.
a) Die Anforderungen an die Bezeichnung von Mängeln und der sich daraus ergebende Umfang der Unterbrechungswirkung für die Verjährung von Ansprüchen müssen beim Mängelbeseitigungsverlangen nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B, beim Beweissicherungsantrag und bei der Vorschußklage nach gleichen Gesichtspunkten beurteilt werden. Für das Beweissicherungsverfahren hat dies der Senat im Urteil vom 6. Oktober 1988 (VII ZR 227/87 m.w.N. – zur Veröffentlichung bestimmt –) unter Zusammenfassung seiner bisherigen Rechtsprechung eingehend dargelegt. Danach kann der Besteller (Auftraggeber) durch hinreichend genaue Bezeichnung der aufgetretenenMangelerscheinungen den der Werkleistung anhaftenden Mangel selbst – also die den Fehler des Werks ausmachenden Ursachen dieser Erscheinungen – in vollem Umfang und ohne Beschränkung auf die bezeichneten Stellen zum Gegenstand des Verfahrens machen. Er kann damit für den Mangel selbst in vollem Umfang die Unterbrechung der Verjährung bewirken (vgl. auch Senatsurteile NJW 1987, 381, 382 m.w.N. sowie vom 20. November 1986 – VII ZR 360/85 – = BauR 1987, 207, 208 = ZfBR 1987, 71 und vom 26. Februar 1987 – VII ZR 64/86 – = BauR 1987, 443, 444 = ZfBR 1987, 188).
b) Für die Vorschußklage gilt insoweit nichts anderes. Daß der Besteller (Auftraggeber) nach der Rechtsprechung des Senats lediglich die Mangelerscheinungen, nicht aber ihre Ursachen und damit den Mangel selbst bezeichnen muß, ergibt sich, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht aus Besonderheiten der kurzen Verjährung nach § 13 Nr. 4 und 5 VOB/B. Es hat seinen Grund vielmehr darin, daß der Besteller (Auftraggeber) zunächst nur diese Erscheinung zuverlässig kennen und beobachten kann. Mit der Bezeichnung dieser Mangelerscheinungen muß daher das jeweilige Verfahren eingeleitet und hinsichtlich seines Gegenstands hinreichend festgelegt werden können. Es ist dann Sache des anschließenden vertraglichen oder gerichtlichen Verfahrens zu klären, was die Ursachen der Mangelerscheinungen sind.
So hat beim Mangelbeseitigungsverlangen nach § 13 Nr. 5 VOB/B der Auftragnehmer zu prüfen, in welchem Umfang er zur Nachbesserung verpflichtet ist (Senatsurteil NJW 1987, 381; vgl. auch Senatsurteil BauR 1987, 207, 208). Beim Beweissicherungsantrag und bei der Vorschußklage hat das gerichtliche Verfahren diese Aufgabe. Eine andere Handhabung wäre nicht sachgerecht. Sie würde den Besteller dazu zwingen, zur Vorbereitung eines Beweissicherungsverfahrens oder einer Klage vorweg selbst Beweis zu erheben. Außerdem würde sie das Risiko einer unzureichenden Erfassung der Mängel auf den Besteller (Auftraggeber) verlagern, obwohl Kenntnis, Beurteilung und Beseitigung von Mängeln des Werks nach dem vertraglichen Pflichtenkreis sowie nach Informationsstand und Fachkenntnissen vorrangig Sache des Unternehmers sind.
c) Die Wirkung der Vorschußklage ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht auf den eingeklagten Vorschußbetrag beschränkt. Das ergibt sich daraus, daß der Vorschuß nichts Endgültiges, vielmehr abzurechnen ist (BGHZ 47, 272, 274). Die Vorschußklage deckt daher, ähnlich einem unbezifferten Leistungsantrag hinsichtlich der Unterbrechungswirkung auch spätere Erhöhungen, gleichviel worauf sie zurückzuführen sind, sofern sie nur denselben Mangel betreffen (BGHZ 66, 138, 141, 142; 66, 142, 149).
Somit erfaßt ein Vorschußanspruch nicht nur die in der Klage bezeichneten Mangelerscheinungen, sondernden Mangel selbst (vgl. auch Senatsurteil vom 6. Oktober 1988 aaO). Er ist nicht auf die in der Klage bezeichneten Erscheinungen des Mangels beschränkt. Seine Geltendmachung bewirkt daher eine Unterbrechung der Verjährung von Ansprüchen aus den der Werkleistung anhaftenden Mängel in vollem Umfang, soweit sie Ursache der angeführten Mangelerscheinungen sind. Der Besteller ist zwar nicht gehindert, neben der Vorschußklage Feststellungsklage wegen des übersteigenden Betrags zu erheben (Senatsurteil vom 20. Februar 1986 – VII ZR 318/84 – = BauR 1986, 345 = ZfBR 1986, 120), doch hat das lediglich klarstellende Bedeutung (BauR aaO, 346/347).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt folgendes: Nach dem Vortrag der Klägerin, von dem für die Revisionsinstanz auszugehen ist, weisen die Pfetten (Firstpfetten und „Normalpfetten”) sämtlich den gleichen Fehler auf, der sich aus einer planwidrigen und obendrein nachlässigen Erstellung ergeben soll. Mit der Bezeichnung der an den Firstpfetten zunächst beobachteten Mangelerscheinungen hat die Klägerin somit lediglich die Stellen bezeichnet, an denen der Mangel zunächst auf getreten ist. Das eingeleitete Verfahren betraf aber nicht nur diese Stellen, vielmehr den Mangel der Werkleistung in vollem Umfang, soweit die an den Firstpfetten beschriebenen Erscheinungen auf ihn zurückzuführen sind. Wegen dieses Mangels hat die Klägerin rechtzeitig vor Eintritt der 5-jährigen Verjährung Vorschußklage erhoben. Daß siedaneben auch bereits entstandene Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 43.144,50 DM eingeklagt hat, schadet nicht. Damit sind hier nicht etwa lediglich die Wirkungen einer Teilklage (dazu Senatsurteil BGHZ 66, 142, 146) eingetreten. An einer Erweiterung des Vorschußanspruchs, soweit er den Mangel an allen Pfetten betraf, war die Klägerin deshalb nicht durch Verjährung gehindert.
Auf etwaige Arglist der Beklagten bei der Abnahme, woraus sich eine 30-jährige Verjährung ergeben könnte, kommt es nach alledem nicht an.
3. Das Berufungsurteil kann somit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben, soweit die Klägerin beschwert ist. Da weitere Feststellungen erforderlich sind (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird.
Unterschriften
G, O, Q, T, H
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.11.1988 durch Werner Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512606 |
Nachschlagewerk BGH |