Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die bloße Rüge der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes und der allgemeine Hinweis auf beim Bundesverfassungsgericht schwebende Verfahren stellen keine ausreichende Revisionsbegründung dar. Die verletzte Rechtsnorm ist nur dann bezeichnet, wenn zumindest bestimmte Verfassungsgrundsätze angeführt sind.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin, eine OHG, betrieb ein Fabrikations- und Handelsunternehmen. Auf Grund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung rechnete das Finanzamt (FA) für die Streitjahre 1962 und 1963 Zinsen eines Bankkredits als Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag (§ 8 Ziff. 1 GewStG) und die zugrunde liegenden Kreditbeträge als Dauerschulden zum Gewerbekapital (§ 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG).
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Die Vorentscheidung wurde der OHG am 13. April 1966 zugestellt. Die OHG legte durch Telegramm ihres Bevollmächtigten vom 11. Mai 1966 Revision ein. Der Bevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 28. Mai 1966 dem FG mit, daß er inzwischen durch Telegramm die Revision eingelegt habe. Die Begründung folge. Mit Schreiben vom 24. Juni 1966 beantragte der Bevollmächtigte, die Entscheidung auszusetzen bis zur Entscheidung über die beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfassungsbeschwerden betreffend die Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen bei der Gewerbesteuer.
Der Vorsitzende des erkennenden Senats teilte dem Bevollmächtigten mit Schreiben vom 11. Juli 1966 mit, daß die Frist zur Begründung der Revision versäumt sei. Er stelle anheim, nach Massgabe des § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen.
Der Bevollmächtigte beantragte mit Schreiben vom 25. Juli 1966 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Nach § 56 Abs. 2 FGO hätte die OHG innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses - hier Zustellung des Schreibens des Senatsvorsitzenden vom 11. Juli 1966 am 15. Juli 1966 -, also bis 29. Juli 1966, die versäumte Rechtshandlung, nämlich die Begründung der Revision, nachholen müssen. Der Bevollmächtigte beantragte jedoch lediglich, die Begründungsfrist bis zur Entscheidung des BVerfG über die genannten Verfassungsbeschwerden zu verlängern. Der Fristverlängerungsantrag ersetzte die nachzuholende Begründung nicht (vgl. BFH-Urteil IV 273/64 vom 5. März 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 284). Der Inhalt dieses Schreibens erfüllt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer zulässigen Revisionsbegründung.
Die Revisionsbegründung muß einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen (§ 120 Abs. 2 FGO; vgl. dazu den Beschluß des erkennenden Senats IV R 168/66 vom 23. August 1966, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 86 S. 567, BStBl III 1966, 596). Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Vorschrift nicht schon deshalb nicht genügt ist, weil ein förmlicher Revisionsantrag fehlt. Denn jedenfalls ist die verletzte Rechtsnorm nicht in der vom Gesetz vorgeschriebenen Weise bezeichnet. Dem Aussetzungsantrag der OHG ist nur zu entnehmen, daß die Verfassungswidrigkeit von Vorschriften geltend gemacht wird. Das ist nicht ausreichend. Zwar fordert das Gesetz nur die Bezeichnung der verletzten "Rechtsnorm" und nicht die Angabe bestimmter Gesetzesstellen, hier also einzelner Artikel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Die allgemeine Behauptung der Verfassungswidrigkeit von Vorschriften stellt jedoch keine Bezeichnung einer bestimmten verletzten Rechtsnorm dar. Die OHG hätte dartun müssen, welche Verfassungsgrundsätze im einzelnen - z. B. den Gleichheitsgrundsatz oder das Rechtsstaatsprinzip - sie als verletzt ansehen will. Auch die Bezugnahme auf den Inhalt der beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerden ist keine ausreichende Revisionsbegründung (vgl. dazu Baumbach-Lauterbach, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Anmerkungen 2, 4 c zu § 554).
Fundstellen
Haufe-Index 412385 |
BStBl III 1967, 48 |
BFHE 1967, 101 |
BFHE 87, 101 |