Leitsatz (amtlich)
Wird anläßlich eines Erlaßantrags eine einstweilige Anordnung beantragt, ist Antragsgegner diejenige Finanzbehörde, die den Erlaß aussprechen soll.
Normenkette
FGO § 114
Tatbestand
Die beiden Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Gesellschafter einer KG. Zuständig für die einheitliche Gewinnfeststellung der KG und die Einkommensteuerveranlagungen der Antragsteller ist der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das FA), gegen den sich der Antrag und die Beschwerde richten. Die Antragsteller schulden noch - teilweise als Erben verstorbener Gesellschafter - Einkommensteuer und Kirchensteuer 1964 bis 1968 in Höhe von 424 157,40 DM; gezahlt worden sind Einkommensteuer und Kirchensteuer 1964 bis 1967 in Höhe von 206 584,69 DM.
Die Antragsteller haben bei der OFD beantragt, ihnen die genannten Steuerbeträge zu erlassen. Die OFD hat den Antrag abgelehnt. Hiergegen haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Die OFD beabsichtigt, bei der KG nach Einreichung verschiedener Unterlagen eine Liquiditätsprüfung durchzuführen.
Die Antragsteller haben weiterhin bei dem FG den Erlaß einer einstweiligen Anordnung des Inhalts beantragt, dem FA zu untersagen, die rückständigen Steuerbeträge bis zur Durchführung der Liquiditätsprüfung einzuziehen, und dem FA aufzugeben, die bereits entrichteten Steuerbeträge zu erstatten. Das FG hat den Antrag als unbegründet abgewiesen; es spreche keine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß der geltend gemachte Erlaßanspruch durchdringen werde; sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe seien nicht ersichtlich.
Die Antragsteller machen mit der Beschwerde geltend: Die KG werde 1971 und 1972 - wie schon 1970 - Verluste ausweisen. Die Liquiditätslage sei außerordentlich angespannt. Die Antragsteller beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und nach ihren Anträgen in der Vorinstanz zu erkennen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Antrag auf einstweilige Anordnung hätte schon deswegen abgewiesen werden müssen, weil er sich nicht gegen die OFD richtet, sondern gegen das am Erlaßverfahren nicht unmittelbar beteiligte FA.
Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann. Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Im vorliegenden Falle ist im Hauptverfahren streitig, ob den Antragstellern ein Anspruch auf Erlaß rückständiger und bereits gezahlter Einkommensteuer und Kirchensteuer zusteht. Inhalt einer einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann sein, der zuständigen Finanzbehörde die Einziehung von Steuerbeträgen bis zum Abschluß des Erlaßverfahrens zu untersagen (Beschlüsse des BFH vom 14. Juli 1971 II B 2/71, BFHE 102, 238, BStBl II 1971, 633; vom 22. September 1971 I B 26/71, BFHE 103, 390, BStBl II 1972, 83). Zweifelhaft ist, ob es nach dieser Vorschrift auch möglich ist, die Erstattung bereits entrichteter Steuerbeträge, die erlassen werden sollen, zu verlangen; eine solche Maßnahme dürfte dem vorläufigen Charakter des § 114 FGO widersprechen. Wird unterstellt, daß die von den Antragstellern begehrten Regelungen in vollem Umfang nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO zulässig sind, müssen sie aber gegenüber derjenigen Finanzbehörde beantragt werden, die den Erlaß aussprechen soll. Das ist hier die OFD, bei der der Erlaßantrag gestellt worden ist und die den Antrag im Rahmen ihrer Zuständigkeit (Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 6. November 1968, BStBl I 1968, 1220) abgelehnt hat. Gegner eines Antrags auf einstweilige Anordnung kann nur derjenige sein, gegen den sich das zu sichernde Recht richtet (ebenso Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 114 FGO Anm. 12; siehe auch Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 123 Anm. C 2). Das FA steht außerhalb dieses Rechtsverhältnisses.
Die einstweilige Anordnung muß sich auch dann gegen die OFD richten, wenn die Beantragten Regelungen - wie hier die Unterlassung der Beitreibung und die Steuererstattung - unmittelbar nur vom FA erfüllt werden können (§§ 325, 150 AO). Es muß in diesen Fällen beantragt werden, der OFD aufzuerlegen, kraft ihres dienstlichen Weisungsrechts das FA zu den begehrten Regelungen anzuhalten.
Fundstellen
Haufe-Index 70630 |
BStBl II 1974, 34 |
BFHE 1974, 392 |